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July 4, 2025

Danke für Ihre PIN, fotografieren Sie jetzt bitte Ihren Ausweis. [Undisruptable Technology - Ausgabe #286]

#286, 4. Juli 2025

Guten Morgen,

ich hatte diese Woche die Freude, mal wieder einen digitalen Prozess in der Praxis zu erleben, der bei mir doch für ein paar Fragezeichen gesorgt hat. Kind2 (12 Jahre) hat beschlossen, ein Girokonto haben zu wollen - und hat recherchiert, dass es bei einer Berliner Bank aus dem Genossenschaftslager stolze 100 Euro Bonus für die Kontoeröffnung gibt. Da ein Konto ohnehin irgendwann her muss haben wir also beschlossen: Eröffnen wir online. Das geht auch leidlich gut, man muss die Sorgerechtsunterlagen allerdings per Mail rumschicken, naja. Alle Beteiligten - Vater, Mutter, Kind - bekommen eine separate Mail mit der Einladung zur Identifikation.

Da kommt bei mir ja schon das erste Fragezeichen. Das Kind installiert sich da eine App und wird in ein Video-Ident-Verfahren bei einem Dienstleister gelotst, der einen 12-Jährigen seinen Reisepass in die Kamera halten lässt und so weiter und so fort. Da frage ich mich allerdings, ob man in dem Alter überhaupt in die Datenverarbeitung einwilligen kann, ohne Anwesenheit der Eltern (man muss dazu sagen, bis zu diesem Schritt könnte jedes Kind auch ohne irgendein Elternteil kommen, deren Identifikation findet parallel oder auch später statt). Wenn ich mir so anschaue, was ansonsten gerne für Datenschutz-Schranken hochgezogen werden, bin ich an der Stelle zumindest… verwundert.

Ich habe mich bei der Identifikation für die Online-Funktion meines Personalausweises entschieden. Wofür hat man den denn schließlich (und dank der letzten Smart Country Convention auch wieder mit einer funktionierenden PIN)? Das hat auch wirklich gut geklappt. Und nachdem ich mich so online identifiziert hatte, verlangte die Bank-Identifikations-App von mir, dass ich jetzt Vorder- und Rückseite des Ausweises fotografiere. Wie jetzt? Ich dachte die Online-Funktion identifiziert mich doch sicherer(!) und datensparsamer(!!) als einen Ausweis in die Kamera zu halten oder - noch schlimmer - Fotos von ihm zu machen? Mir dünkt, hier ist irgendein Prozess nicht zuende gedacht oder es gibt irgendeine Regelung, die Banken zwingt, Bilder aufzubewahren? Weiß da jemand mehr?

Am Ende hat alles gut geklappt (naja, der Willkommensbonus soll erst später überwiesen werden), aber der ganze Prozess war so, hmmm, vielschrittig, dass ich mir durchaus vorstellen kann, dass viele Menschen den nicht durchlaufen. Wollen. Können. Es ist echt noch viel zu tun bei dieser Digitalisierung.

Bis nächste Woche,

Andreas Streim


Ten news that fit to send

  1. AI Killed My Job: Tech workers: Welche Auswirkungen hat KI auf den Arbeitsmarkt? Der Artikel versammelt eine Reihe von Fallbeispielen, wo Menschen aus dem Tech-Sektor ihren Job an die KI verloren haben. “I heard from workers who recounted how managers used AI to justify laying them off, to speed up their work, and to make them take over the workload of recently terminated peers. I heard from workers at the biggest tech giants and the smallest startups—from workers at Google, TikTok, Adobe, Dropbox, and CrowdStrike, to those at startups with just a handful of employees.” Es sollen auch andere Branchen folgen. Auch wenn man sich fragen sollte, ob Einzelbeispiele wirklich mehr als Einzelbeispiele sind - es gibt durchaus auch andere Sichtweisen zu den Job-Wirkungen von KI, etwa hier von meiner Bitkom-Kollegin Lucy -, liest es sich doch interessant.

  2. Ask HN: Is your company forcing use of AI?: Und hier noch ein interessanter Diskussionsstrang über die Frage, in wie weit Unternehmen ihre Beschäftigten “zwingen”, KI-Tools einzusetzen. Ein Thema, das gar nicht so abseitig ist, denn Microsoft forciert die KI-Nutzung inzwischen: “Der Tech-Gigant hat, Informationen von „Business Insider“ zufolge, intern eine brisante Richtlinie eingeführt: Die Nutzung von KI-Tools wird zum entscheidenden Faktor bei Mitarbeiterbewertungen. Eine Entwicklung, die das Potenzial hat, die Arbeitswelt grundlegend zu verändern – und die Frage aufwirft, ob andere Unternehmen nachziehen werden.”

  3. Anthropic Let Claude Run Its Office Shop. Then Things Got Weird: Also wird KI bald unsere Jobs übernehmen? Vielleicht, vielleicht aber auch eher nicht. Bei Anthropic, den Machern von Claude, haben sie der KI die Verantwortung für den internen Office Shop gegeben. Das Ergebnis: Die KI hat das Ding vor die Wand gefahren, unter anderem Discount Codes rausgehauen als gäbe es kein Morgen mehr und auch Sachen einfach verschenkt. Liest sich sehr lustig. “To Anthropic researchers, the experiment showed that AI won’t take your job just yet. Claude “made too many mistakes to run the shop successfully,” they wrote. Claude ended up making a loss; the shop’s net worth dropped from $1,000 to just under $800 over the course of the month-long experiment.”

  4. Pay up or stop scraping: Cloudflare program charges bots for each crawl: Cloudflare will KI-Crawler künftig zur Kasse bitten. “In a blog Tuesday, Cloudflare explained that its "pay-per-crawl" feature is currently in a private beta. A small number of publishers and content creators will participate in the experiment. Each publisher will be able to set their own prices that bots must pay before scraping content, Cloudflare said.” Interessanter Ansatz - der aber nebenbei auch zeigt, was für eine Macht Cloudflare inzwischen im Internet hat.

  5. The launch of ChatGPT polluted the world forever, like the first atomic weapons tests: Das ist ein interessanter Text darüber, dass es ein großes Interesse an digitalen Daten aus 2022 und früher gibt - bevor mit ChatGPT KI in der Breite verfügbar war. “Their concern is that AI models are being trained with synthetic data created by AI models. Subsequent generations of AI models may therefore become less and less reliable, a state known as AI model collapse.” Aber noch interessanter an dem Text fand ich, dass diese “Verschmutzung” verglichen wird mit der vom ersten Atombombentest, der weltweit(!) Metall verseucht hat, so dass für ganz bestimmte Spezialanwendungen nur noch auf Metall aus der Zeit vor der Explosion zurückgegriffen werden kann: “The Trinity test, in New Mexico on July 16, 1945, marked the beginning of the atomic age. One manifestation of that moment was the contamination of metals manufactured after that date – as airborne particulates left over from Trinity and other nuclear weapons permeated the environment. The poisoned metals interfered with the function of sensitive medical and technical equipment. So until recently, scientists involved in the production of those devices sought metals uncontaminated by background radiation.”

  6. Australians to face age checks from search engines: In Australien sollen Suchmaschinen künftig vor Anzeige von Ergebnissen das Alter der Nutzerinnen und Nutzer prüfen. Also zumindest wenn diese in einem Account von Google oder Microsoft & Co. eingeloggt sind, sonst nicht. Was etwas absurd klingt. Aber die anderen bekommen dafür manche Inhalte nur noch geblurt. “Search engines operating in Australia will need to implement age assurance technologies for logged-in users in "no later than six months”, under new rules published on Monday.” Apropos Kontrolle: In den USA wird Tinder jetzt eine Gesichtskontrolle einführen.

  7. America tried to ban fake photos in 1912: Wir reden ja heutzutage viel über Fake News und KI. Kann man Fotos und Videos überhaupt noch glauben, wenn man doch alles manipulieren oder generieren kann? Sagen wir mal so, die Debatte ist gar nicht so neu. “An 1897 issue of the New-York Tribune would declare the assumption “Photographs Do Not Lie” an “exploded notion,” saying that “…at the present time photographs may be and are made to lie with great frequency and facility.” Other commercial applications of photo retouching emerged. In 1911, tourists visiting Washington DC could acquire fake photographs of themselves posing with then-President of the United States William Taft. This troubled government officials. Upon discovering the practice in 1911, a US attorney ordered it stopped.”

  8. Exploiting the IKKO Activebuds "AI powered" earbuds: Der Artikel ist schon ein paar Monate alt, aber ich mag ja so praxisnahe Cybersecurity-Beschreibungen. Sie zeigen, wie einfach es manche Hersteller Menschen machen, die keine redlichen Absichten haben - und wie schwer es auf der anderen Seite auch ist, ein Produkt wirklich komplett sicher zu machen. “Alright so it queries this API with your account token and your device id and returns all the chats you have ever had with the device. However, after removing the account token, the request still worked? So this api has no authentication apart from the device id. I feared the worst.”

  9. Fire department hacker detained for selling information to funeral directors: Und wo wir gerade beim Hacken sind, es gibt da ja die unterschiedlichsten Berichte über Angriffe. Aber das hier ist dann schon ein ziemlich spezieller Fall von Wettbewerbsvorteil-Verschaffen: “A hacker, surnamed Pan (潘) has been indicted and detained following an investigation by the Kaohsiung District Prosecutors' Office for hacking into the city's fire department’s emergency dispatch system and selling real-time incident information to four funeral service providers.”

  10. Out of space: Picturing the big, crowded business of satellite internet: Satelliten-Internet klingt wie ein Heilsversprechen: keine Kabel, Funkmasten & Co am Boden? Und was fällt einem dazu ein? Elon Musk und Starlink. Leider. Aber wie sieht die Branche eigentlich wirklich aus? “Despite the billions of dollars of investment, and the thousands of satellites zipping around our planet, it’s still hard to really picture the satellite internet industry. So Rest of World pulled together data to help visualize the industry, and bring it down to earth.” Sehr schön aufbereiteter Artikel.

Undisruptable Technology im Bild

Keine Lust auf diese Klub WM der reichsten Fußballvereine der Welt? Und auch keine auf die Frauen-EM? Dann mal hier reinschauen, in das chinesische Roboter-Fußball-Turnier. Sieht ein bisschen aus wie meine frühen C64-Soccer-Erfahrungen in die reale Welt überführt.

Und zuletzt...

Das hier ist wirklich ein schönes Beispiel, was man mit Hilfe von digitalen Technologien machen kann: Geld zählen. Und zwar nicht das eigene, sondern das Geld der Fed. Ausgestellt in einem Museum: “At the Federal Reserve Bank of Chicago’s Money Museum, there’s a big transparent cube on display. It’s filled with tightly packed stacks of $1 bills, claiming to contain $1,000,000.” Und wenn sich das ein skeptischer Mensch anschaut und noch dazu ein Mensch, der digitale Technologien nutzt, dann… zählt er nach. Und stellt fest, die Angabe kann nicht stimmen. “So what’s in the cube? Maybe it’s $1 million. Maybe it’s an empty box with a money shell. Most likely it’s $1.55 million. All I know is I built a tool, did the math, and triple-checked the stacks.”

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