Sorry, that's beyond my current scope [Undisruptable Technology - Ausgabe #270]
#270, 31. Januar 2025
Guten Morgen,
“sorry, that’s beyond my current scope” ist der Satz, den das chinesische Sprachmodell DeepSeek gerne ausspuckt, wenn die staatliche Zensur zuschlägt und man auch als KI lieber nichts über Menschenrechtsverletzungen oder die Taiwan-Politik sagen will. Manchmal wünschte man sich, dass auch deutsche Politiker(innen) auf diesen Satz rekurieren, statt sich immer mehr treiben zu lassen von dieser “lass es uns wie Trump machen, sonst geht es uns wie Biden/Harris”-Mentalität. An der am Ende dann ein Tag steht, in dem man morgens der Befreiung des KZ Auschwitz gedenkt (und all den Dingen, die dahin geführt haben) und pflichtschuldig “Nie wieder” beteuert, und abends dann mit der afd zusammen Politik macht. Am 23. Februar ist Bundestagswahl - und auch wenn man nicht online wählen kann (obwohl das viele wollen würden), kann man an dem Tag ja selbst “sorry, that’s beyond my current scope” in die Tonne treten und eine eigene Antwort geben.
Aber eigentlich ging es ja um: DeepSeek. Das Unternehmen oder viel mehr: das Sprachmodell, das eine Trillion Aktienwert vernichtet hat und Ländern außerhalb der USA neue Hoffnung gibt, dass das KI-Rennen vielleicht doch noch nicht gelaufen ist. Nicht, weil wir jetzt alle China-KI nutzen wollen oder sollen, sondern weil vielleicht ganz viele jetzt Sprachmodelle entwickeln können, die wettbewerbsfähig sind. Man wird sehen. Aber vor zwei Jahren hat man ja noch gedacht, mit 10 Millionen Dollar kann man kein Sprachmodell trainieren. Eine Fehleinschätzung, offenbar. Aber es gab ja auch mal die Überlegung, dass 640 Kilobyte RAM für immer und ewig reichen. Die digitale Welt ist halt ziemlich… dynamisch.
Ich habe diese Woche gelesen, “von DeepSeek redet in ein paar Wochen keiner mehr”. Und auch das kann gut sein, aber - siehe oben - um das konkrete Produkt und Unternehmen geht es ja gar nicht. Und DeepSeek ist ohnehin nicht alleine. Alibaba hat jetzt nachgezogen und - klingt das vielleicht ein bisschen verschnupft? - betont, dass man selbst auch ein neues Modell gebaut hat, das viel besser ist als die US-Konkurrenz.
Vielleicht geht der Trend aber ohnehin mal zum eigenen KI-Assistenten zu Hause, der nicht wie Alexa & Co. nur die Verbindung zum großen Server Irgendwo herstellt. Denn DeepSeek zu Hause betreiben? Kann man machen und das Modell antwortet schneller, als man bequem lesen kann. Wer jetzt nicht zwei M4 rumstehen hat, der liest halt so lange noch die restlichen 10+ Tech-News dieser Woche - und es geht auch wirklich nur noch ganz kurz um DeepSeek.
Bis nächste Woche,
Andreas Streim
Ten news that fit to send
DeepSeek FAQ: Wer sich wirklich für DeepSeek interessiert (und ich meine: wirklich interessiert), dem empfehle ich diesen Text bei “Stratechery”. Teilweise ist es extrem technisch (und ich verstehe nur einen Bruchteil davon, aber es liest sich trotzdem spannend). “I think that DeepSeek has provided a massive gift to nearly everyone. The biggest winners are consumers and businesses who can anticipate a future of effectively-free AI products and services. Jevons Paradox will rule the day in the long run, and everyone who uses AI will be the biggest winners.” Denn damit ist der Versuch der USA, Staaten durch Chip-Embargos von KI abzuschneiden (und das womöglich als Druckmittel zu nutzen), womöglich etwas weniger erfolgreich - denn man kann schneller auf so einer Liste landen, als man denkt. Muss man nur mal die Schweiz fragen.
1,156 Questions Censored by DeepSeek: Wer DeepSeek ausprobiert wird natürlich auch “politisch heikle” Fragen stellen. Zum chinesischen Umgang mit Minderheiten, Zensur oder der Taiwan-Politik. Wer sich die Zeit sparen will, der findet hier einen Blogbeitrag zum Thema und eine umfangreiche Liste “sensitiver” Prompts. Aber immer wieder schön, wie einfach man solche Modelle (zumindest am Beginn) doch überlisten kann.
The Microsoft 365 Copilot launch was a total disaster: Apropos, bevor jemand denkt, mit diesem KI, das sind ja alles solche Erfolgsgeschichte. Der Autor rechnet hier bei ZDNET mit Microsoft Copilot ab: “As far as I can tell, the response from customers has been overwhelmingly negative. I monitor Microsoft-focused online forums obsessively, and I read hundreds of complaints without seeing a single compliment. Seriously, the reaction to this rollout was an Excel #DIV/0 error.”
Inside a network of AI-generated newsletters targeting “small town America”: Spannende Geschichte über Newsletter, die auch in kleinste Orte lokale Geschichten bringen. Das Problem: Dahinter steht keine Redaktion, sondern KI - auch wenn das für die Leserinnen und Leser nicht ersichtlich ist. “These automated agents “read the news” in every town where Good Daily operates, curate the most relevant stories, summarize them, edit and approve the copy, format it into a newsletter, and publish. Henderson declined to share any more specifics about his use of LLMs, calling it proprietary. “At a high level, [the system] operates much like an editorial team,” he said.”
Strong as steel, light as foam: Aber nicht nur bei KI gibt es Fortschritte, auch mit KI: “Researchers at the University of Toronto’s Faculty of Applied Science & Engineering have used machine learning to design nano-architected materials that have the strength of carbon steel but the lightness of Styrofoam.” Ich muss sagen, ich verstehe von dem Thema zu wenig, um die Bedeutung beurteilen zu können, aber das klingt wirklich spannend: ““This is the first time machine learning has been applied to optimize nano-architected materials, and we were shocked by the improvements,” says Serles. “It didn’t just replicate successful geometries from the training data; it learned from what changes to the shapes worked and what didn’t, enabling it to predict entirely new lattice geometries.”
Here’s the tech that could turn millions of Zigbee light bulbs into motion sensors with a single update: Ich habe bei mir in der Wohnung zwei Räume, in denen die Hue-Lampen zu bestimmten Tageszeiten automatisch angehen, wenn es zu dunkel ist und man reinkommt. Möglich wird das mit Bewegungssenoren. Künftig könnten die Lampen das alleine machen. So weit, so nicht wirklich spannend. Interessant wird es, weil man dafür keine neuen Lampen oder Birnen braucht, sondern nur ein Softwareupdate. “The good news is that Sensify can run on Zigbee networks with a range of chipsets working together, meaning it can be deployed as a software update to existing systems. McKinney also confirmed Sensify runs locally on your Zigbee network, there’s no Sensify cloud, and any sensing data is only accessible to the manufacturer deploying the technology.”
New AI picks up 97% of lung diseases, and can tell pneumonia from COVID-19: KI ist viel mehr als Sprachmodelle, das wird manchmal vergessen. KI kann zum Beispiel auch Ärzte bei Diagnosen unterstützen - und das ziemlich, ziemlich gut. “A breakthrough new AI model is able to detect the presence of different lung diseases from ultrasound videos, with 96.57% accuracy, and it is even able to distinguish whether the abnormalities are due to pneumonia, COVID-19 or other conditions.” Und was besonders daran ist: ““The explainability of the proposed model aims to increase the reliability of this approach,” said Shafiabady. “The system shows doctors why it made certain decisions using visuals like heat maps. This interpretation technique will aid a radiologist in localizing the focus area and improve clinical transparency substantially."“
The US government's open data on Data.gov is currently being scrubbed: In den USA passiert ja gerade so viel, man kommt gar nicht hinterher (wenn man nicht z.B. dieses großartige US-Präsidenten-Dekrete-Erlass-Tool nutzt). Interessant aber auch, dass offenbar bislang öffentlich verfügbare Daten verschwinden, wie auf Reddit diskutiert wird: “If you look at https://catalog.data.gov/ you can compare categories. The largest drop I see relates to Department of Energy. From January 14 I see a drop of about 1800 datasets which accounts for the bulk of the total mentioned in another reply.”
Report: Majority of US teens have lost trust in Big Tech: Die Zeiten von “Don’t be evil” als Motto einer aufstrebenden Internet-Suchmaschine sind long, long gone. Zumindest wenn man Teens in den USA fragt. “In the study released Wednesday, the organization surveyed over 1,000 teens on whether major technology companies like Google, Apple, Meta, TikTok, and Microsoft cared about their well-being and safety, made ethical decisions, protected their private data, and more. In all cases, a majority of teens reported low levels of trust in these tech companies. Nearly half of teens said they had little or no trust that the companies would make responsible decisions about how they use AI.” Der Zyniker in mir möchte gerne sagen: Hart erarbeitet.
Declassified CIA Guide to Sabotaging Fascism Is Suddenly Viral: Ich schreibe ja immer wieder, dass dieser kleine Newsletter einen Bildungsauftrag hat. Und da ist diese unscheinbare Meldung doch wirklich interessant, in den USA, aber womöglich auch anderswo: “A declassified World War II-era government guide to “simple sabotage” is currently one of the most popular open source books on the internet. The book, called “Simple Sabotage Field Manual,” was declassified in 2008 by the CIA and “describes ways to train normal people to be purposefully annoying telephone operators, dysfunctional train conductors, befuddling middle managers, blundering factory workers, unruly movie theater patrons, and so on. In other words, teaching people to do their jobs badly.”” Der Text bei 404media, der über das neue Interesse an dem alten Buch berichtet, endet: “It is impossible to say why this book is currently going viral at this moment in time and why it may feel particularly relevant to a workforce of millions of people who have suddenly been asked to agree to be “loyal” and work under the quasi leadership of the world’s richest man, have been asked to take a buyout that may or may not exist, have had their jobs repeatedly denigrated and threatened, have suddenly been required to return to office, have been prevented from spending money, have had to turn off critical functions that help people, and have been asked to destroy years worth of work and to rid their workplaces of DEI programs.”
Undisruptable Technology im Bild
Ironic that we got free AI from a hedge fund and $200/month AI from a nonprofit.
— Avichal - Electric ϟ Capital (@avichal) January 27, 2025
Ich verlinke wirklich ungern auf X, aber die Tech-Woche kann man kaum prägnanter zusammenfassen als in diesem Tweet.
Und zuletzt...
Wer sich fragt, wie das mit der Desinformation so geht, bitteschön. Da hat jemand eine Studie zitiert, nach der 80 Prozent der Asylbewerber in ihrem Heimatland Urlaub machen würden. Subtext: Von wegen Menschenrechte und Fluchtgründe, alles Lügner. Nein, nicht Alice Weidel. Auch nicht Friedrich Merz. Die Tipps lagen jetzt ja zu nahe. Sondern Elon Musk, bei dem man aktuell nicht weiß, ob er als X-Chef twittert, als DOGE-Obermufti, Präsidialberater oder doch erster US-Botschafter der afd. Aber darum soll es ja jetzt nicht gehen, sondern um eine mal so in den Raum geworfene Zahl, die verfängt. Weil viele am liebsten das glauben, was sie ohnehin schon glauben. Die Realität ist halt nur eine ganz andere. Es gibt sogar so eine Studie und so eine Zahl. Aber was das Studiendesign (Schweden, Menschen die im Ausland geboren wurden) angeht und den Zeithorizont (manche leben seit 20 oder 30 Jahren in Schweden) hat es aber nichts mit dem zu tun, was die platte Botschaft suggeriert. Denn, ja, wer in den 1990ern aus Jugoslawien geflüchtet ist, der kann da inzwischen gefahrlos hinfahren - und ist längst in der neuen Heimat fest verwurzelt. Sollte Elon Musk ja eigentlich wissen, der auch nicht in den USA geboren wurde…