Sind die AI-liens gelandet? - [Undisruptable Technology - Ausgabe #257]
#257, 11. Oktober 2023
Guten Morgen,
in der heutigen Ausgabe dieses kleinen Newsletters geht es - wieder mal - viel um KI. Das liegt einfach daran, dass rund um KI gerade sehr viel passiert. Zum Beispiel haben gleich zwei vergebene Nobelpreise in diesem Jahr etwas mit Künstlicher Intelligenz zu tun. Einer der Preisträger sieht KI inzwischen ziemlich kritisch. “Hintons Sicht der Dinge wurde maßgeblich von der neuen Generation großer Sprachmodelle verändert, insbesondere GPT-4 von OpenAI, das im März heraus kam. Es habe ihm klar gemacht, dass Maschinen auf dem Weg sind, viel schlauer zu werden, als er dachte, sagt er. Es beunruhigt ihn, wie sich das entwickeln könnte. „Diese Dinger sind völlig anders als wir“, sagt er. „Manchmal denke ich, es ist, als wären Außerirdische gelandet und die Menschen hätten es nicht bemerkt, weil sie sehr gut Englisch sprechen.“
KI ist übrigens auch in der Schule angekommen, also sogar in deutschen Schulen (das muss man ja immer betonen). Mein Sohn hat mit ChatGPT den Klassenarbeits-Stoff in Biologie durchgearbeitet und sich erklären lassen (das ging gut) und sich mit dem Chatbot versucht durch Sinus-Cosinus-und-Co zu kämpfen (das ging eher ziemlich bescheiden). Was zeigt: KI kann eine Hilfe sein - oder einen ziemlich auf den Holzweg führen, wenn man nicht aufpasst.
In der kommenden Woche werde ich das Vergnügen haben, eine Pressekonferenz meines Arbeitgebers Bitkom zu moderieren, bei der wir eine neue KI-Studie vorstellen, inwieweit deutsche Unternehmen inzwischen die Technologie nutzen. Gespoilert kann hier leider nicht werden. Dazu dann vielleicht etwas in der nächsten Ausgabe.
Bis nächste Woche,
Andreas Streim
Ten news that fit to send
My search for the mysterious missing secretary who shaped chatbot history: Die Geschichte fängt mit Eliza an. Einem, nun ja, sehr einfachen Chatbot. Ich habe bei meinen ersten Programmierversuchen mit BASIC und später Pascal auch ein einfaches Eliza-Programm, das in einem Computermagazin abgedruckt war, versucht, an die doch komplexere deutsche Grammatik anzupassen. Mit - wenn auch sehr bescheidenem - Erfolg, damals. Sich angesichts von ChatGPT & Co. daran zu erinnern, wie das alles anfing, lohnt sich. Aber die Geschichte geht weiter, denn es geht auch um eine grundsätzliche Frage: “But the hunt has revealed some things. How little organisations have historically cared about the people who produced, organised and saved so much of their knowledge, for one. In the history of institutions such as MIT and computing more generally, the writers of those records – often poorly paid, low status women – are largely written out.”
Google's AI thinks I left a Gatorade bottle on the moon: Das ist eine sehr schöne Geschichte, wie man KI reinlegen kann, indem man im Internet (falsche) Informationen platziert, die nur die Crawler von Google & Co. für die KI-Systeme sehen. “The attack vector is this: First, acquire a web page that ranks highly for a particular term. Next, plant an "AI Only" version of the content, hidden to humans, designed to bias how the AI thinks. Then, when the AI searches the web to assist with an answer, it won't just find lies, but weaponized lies: content designed specifically for LLM manipulation.” Unbedingt mal lesen.
Future of .io domains uncertain as UK hands over Chagos islands: Über die Internet-Domain .io ist wahrscheinlich schon jeder mal gestoßen. Ich zumindest wusste bisher nicht, dass sich dahinter das British Indian Ocean Territory verbirgt. Ist aber so. Und weil die Briten das jetzt an Mauretanien übergeben stellt sich die Frage: Verschwindet die Domain? “There’s no talk yet of the future the ccTLD, of course — the governments have bigger fish to fry — but the change of sovereignty could have interesting implications for the .io registry and its registrants. The positive spin is that owning a .io domain could now be seen as a less dubious ethical choice. (…) The bad news is that a change of sovereignty could ultimately lead to a change of registry, or the ccTLD disappearing entirely.” Die Geschichte ist zumindest interessant wenn man sich fragt, welche Internet-Adresse man einem neuen Angebot geben will. Oder wenn man sich überlegt, wie und wo man digitale Inhalte für die Ewigkeit aufbewahren will.
The incredible blandness of AI photography: Ja, ich habe schon Gegenstände aus meinen Smartphone-Fotos entfernt und war der Google-KI sehr dankbar. Aber natürlich geht die Entwicklung weiter und auch die Nutzung… “Magic Editor on the Pixel 9 includes a new option called “reimagine.” Now, instead of just erasing or moving objects around, you can add stuff with nothing more than a text prompt. Replace the background; sprinkle in some rainbows and butterflies. It’s in service of creating the scene you remember, not depicting the scene exactly as you saw it, or so Pixel camera PM Isaac Reynolds told Wired earlier this year. They’re memories, not photos.” Die Autorin des Textes hat mal selbst ausprobiert, was KI mit ihren Fotos macht. Ein Fazit: “You can’t edit a bad photo into a good photo.” Und ich habe gerade sehr alte Fotos aus meiner Schulzeit angeschaut, analog aufgenommen, später digitalisiert, und die sind sowas von weit entfernt von perfekt, fehlbelichtet, teilweise unscharf, aber sie sind so wie sie sind großartige Erinnerungen. Wenn auch keine großartigen Fotos.
Is China pulling ahead in AI video synthesis? We put Minimax to the test: Von Fotos einmal kurz zu Videos. “ArsTechnica” hat einmal einem chinesischen KI-Videogenerator getestet - und festgestellt, dass er auch nicht wirklich weiter ist als die US-amerikanischen. Aber man kann zum Beispiel problemlos Videos mit Promis wie Will Smith generieren lassen, was für das Thema Fake News und Deepfakes natürlich eine Rolle spielt. Ich finde die ganzen kurzen Clips extrem beeindruckend, aber ich bin ja auch leicht zu begeistern.
Gropyus plans to use robots to help rebuild Ukraine better and faster: Der Co-Founder von Delivery Hero möchte mit Hilfe von Robotern die Ukraine (schneller) wiederaufbauen. Wie es dazu kam? “In 2019, my co-founder [Philipp Erler, former CIO of Zalando] and I sat together and said, ‘Hey, what would be a bigger problem to solve than delivering pizza and fashion?’ I ran into a guy who was in construction, and I thought this is not a very efficient industry.”
Amazon bets on selling cashierless technology to retailers after pulling it from most U.S. stores: Einkaufen ohne am Ende an einer Kasse stehen zu bleiben bleibt für viele Shopping-Experten ein Traum. Einer, den auch Amazon mit seinen Amazon Go Shops geträumt hat - und wieder aufgegeben hat. Aber vielleicht kommt es ja doch noch, nicht von Amazon, aber mit Amazon-Technologie. “While it’s no longer featuring Just Walk Out as prominently in its own stores, Amazon says it has inked deals with a growing list of customers. More than 200 third-party stores have paid Amazon to install the cashierless system. The company expects to double the number of third-party Just Walk Out stores this year, Jon Jenkins, who previously served as vice president of Amazon’s Just Walk Out technology, said in a recent interview.” Amazon selbst setzt übrigens jetzt auf intelligente Einkaufswägen.
Google Maps now lets you reserve a parking spot inside the app: Die Idee ist ja eigentlich ganz gut - gleich aus der Google Suche oder aus Google Maps, wenn man die Route fürs Auto eh plant, einen Parkplatz reservieren. Das geht jetzt, in bestimmten Orten in den USA und Kanada. “The next time you use either app to find parking, a “Book Online” button will appear if the lot you find is available to reserve through SpotHero. Tap the button and Google will send you to SpotHero’s website, where you can pay for a spot over a secure connection. The entire process is handled through Maps or Search, with no bouncing between the app of your choice and a browser.” Aber keine Sorge, das Feature kommt bestimmt nicht nach Deutschland, da sind die Verbraucherschützer mit Sicherheit davor, damit hier kein Monopol entsteht oder irgendwelche Prozesse zu simpel werden.
Roli Airwave system uses AI and hand tracking to teach piano: Aus der Reihe, was man mit Künstlicher Intelligenz alles machen kann, heute: Klavierspielen lernen. “The Airwave is a bid to lower the barrier of entry for the piano, by leveraging hand tracking and AI and bringing a level of customization to the process that was previously limited to in-person lessons.”
Where Have All the Chief Metaverse Officers Gone?: Sagen wir es mal so: Das Metaverse hat die allererste allergrößte Euphoriewelle irgendwie nicht so ganz supergut überstanden. “The move follows a broader cooling of corporate enthusiasm for the metaverse. Luxury brands that once rushed to establish virtual presences have scaled back efforts, with some chief metaverse officers pivoting to AI-focused roles. "Many brands were quick to experiment -- there was a sense of a land grab," said Matthew Ball, tech investor and author. "They didn't want to be last, and they were excited to try and be first." Wired notes that the shift reflects disappointing user engagement with existing metaverse platforms and growing interest in more accessible AR technologies.” Dass nicht jede Technologie am Ende die Welt revolutioniert ist jetzt auf der anderen Seite auch nicht schlimm. Und manche - siehe KI - brauchen auch ziemlich langen Anlauf, insofern würde ich das Metaverse noch nicht abschreiben.
Undisruptable Technology im Bild
Eine Turing-Maschine. Aus Lego. Wer macht denn sowas? “The Lego builder first came across the concept a few years ago and, despite it being an abstract model, decided to attempt making one out of the plastic components of Lego Technic.” Hier steht noch mehr dazu.
Und zuletzt...
Das sind Texte, die mir einfach gefallen. Da hat jemand in einem alten portugiesischen Buch zwei Lochkarten gefunden. Und damit ist die Geschichte nicht zu Ende, sondern er wollte rausfinden, was auf diesen Karten notiert ist, wo sie herkommen und alles was dazu gehört. “I found the answer starting with the fact that these punched cards are custom printed with the letters In Es Me on them. What's In Es Me? It took a while to answer that, but it turns out that In Es Me was a business called "Instituto de Estudos Mecanográficos" based in Lisbon in the late 1960s and early 1970s. It appears to have been a school that taught people the exciting new world of computing, which, they claim in their advertisements was "Uma profissão actual e rentavel" (A modern and profitable profession) and also "Uma das profissões de melhor futuro" (One of the professions with a great future).” Und dann geht die Geschichte weiter, die man einfach selbst lesen sollte. Spoiler: Es gibt auch wirklich eine Auflösung.