Leben in der Blase [Undisruptable Technology - Ausgabe #293]
#293, 7. November 2025
Guten Morgen,
ich programmiere gerade einen kleinen Web-Crawler, also so ein Ding wie Google, das Internetseiten anschaut und sich merkt, was da interessantes draufsteht. Das fühlt sich ein bisschen 2000er-mäßig an, denn wer sucht heute noch mit einer Internetsuchmaschine (allein schon der Name)? Damit es nicht ganz so old school ist, programmiere ich zusammen mit einer KI. Und ich habe das hier schon (mehrfach?) gesagt und ich sage es wieder: Ja, das ist eine Arbeitserleichterung. Aber nein, die KI ist einfach immer wieder strunzdoof. Sie macht vielleicht keine Tippfehler (aber mit Einrückungen hat sie es nicht so), aber sie hat immer und immer wieder Logikprobleme. Ehrlich, wenn man nicht ab und an freundlich fragen würde “Das klingt gut, aber denkst Du nicht… Sollten wir nicht vielleicht diesen Ansatz wählen, und jetzt…”, dann würde es nicht nur viel, viel länger dauern, es würde vor allem auch zu keinem Ziel führen. Jede Wette.
Deshalb, liebe Kinder, wenn euch irgendwelche Artikel erklären, dass man heute nicht mehr Programmieren lernen muss - vergesst das. Zum einen kann man nicht (sinnvoll) mit KI-Hilfe programmieren, wenn man nicht Programmieren kann. Zum anderen kann die KI auch jetzt schon echt tolle und wahnsinnig lange Texte schreiben. Daraus schlussfolgert aber niemand, dass wir Menschen jetzt nicht mehr schreiben lernen müssten. Und: Die KI kann vielleicht schreiben, vielleicht sogar besser als manche Menschen, aber eben auch deutlich schlechter als viele/manche/einige Menschen. Dazu kommt aber noch etwas anderes: Wollen wir wirklich, dass irgendwann in einer dann gar nicht so fernen Zukunft nur noch die KI programmieren kann und der Mensch staunend daneben steht? Ich sag’s mal so: Ich hab da Fragen.
Deshalb als Kurzform: Lesen, Schreiben, Rechnen und Programmieren sollten grundsätzlich alle lernen, am besten in der Schule. Und von mir aus mit KI-Hilfe.
Bis nächste Woche,
Andreas Streim
Ten news that fit to send
I Reverse-Engineered 200 AI Startups. 146 Are Selling You Repackaged ChatGPT and Claude with New UI.: Leben wir in einer KI-Blase? Man weiß es nicht so genau, vieles ist eine große Wette auf die Zukunft. Ich spiele ja viel mit der OpenAI-API rum und schwanke immer zwischen “boah, was für krasse Sachen die KI kann” und “echt jetzt? Wieso antwortest Du so einen Mist, Du hast doch alle notwendigen Infos??!”. Aber hier hat jemand sich mal 200 KI-Startups angeschaut und deren, nun ja, bahnbrechende Technologie, weil: “It was 2 AM. I was debugging a webhook integration when I noticed something odd. A company claiming to have proprietary deep learning infrastructure was making calls to OpenAI’s API every few seconds. The same company that just raised $4.3M by promising investors they’d built something fundamentally different.” Er hat sich dann Webseiten, Apps & Co. genauer angeschaut und kommt zum Ergebnis: “73% had a significant gap between their claimed technology and their actual implementation.” Zumindest bei Apple muss der Autor sich diese Mühe nicht machen, die nutzen ganz offiziell Google Gemini und zahlen dafür.
Michael Burry of ‘The Big Short’ is back with cryptic messages — and two massive bets: Apropos Blase & Wette: “Michael Burry, the famed investor behind “The Big Short,” is betting artificial intelligence is more of a bubble than a revolution. Burry’s fund, Scion Asset Management, disclosed on Monday that it bought puts — bets that share prices will fall — on two stars of the AI wave: Nvidia (NVDA) and Palantir (PLTR). Scion bought roughly $187.6 million in puts on Nvidia and $912 million in puts on Palantir, according to Securities and Exchange Commission filings.”
AI's Dial-Up Era: Also, jetzt aber mal Klarheit, wo geht es hin mit dieser Künstlichen Intelligenz? Spoiler: Auch dieser Text gibt keine Antwort darauf. Aber ich fand den Vergleich mit der Zeit der Modems in den 1995ern ganz schön. “Optimists predict grand transformations. Some believe digital commerce will overtake physical retail within years. Others insist we’ll wander around in virtual reality worlds. “I expect that within the next five years more than one in ten people will wear head-mounted computer displays while traveling in buses, trains, and planes.” - Nicholas Negroponte, MIT Professor, 1993” Und “pessimists call the internet a fad and a bubble” und gingen davon aus, dass der ökonomische Impact vielleicht dem der Erfindung des Faxgeräts entsprechen würde. Und das heißt? “We’re in 1995 again. This time with Artificial Intelligence.”
The Future of HealthCare is Arriving… China unveils Doctorless AI Kiosks: Statt auf einen Arzttermin zu warten und in die Sprechstunde zu gehen, einfach an einen Arzt-Automaten treten? “In China, AI-powered health kiosks are redefining what “accessible healthcare” means. These doctorless, fully automated booths can: Scan vital signs and perform basic medical tests, Diagnose common illnesses using advanced AI algorithms, Dispense over-the-counter medicines instantly, Refer patients to hospitals when needed”. Wo? In China. Da passt aber auch die Nachricht ganz gut, dass ein Krankenhaus bereits 10.000 Roboter-Operationen durchgeführt hat. In England.
Bats inspire WPI researchers to develop drones using echolocation: Drohnen haben ja gerade ein eher schlechtes Image. Aber die Technologie wird bei Waldbränden ebenso eingesetzt wie bei der Suche nach vermissten Menschen. Aber mit Limitationen - und interessanten Forschungen. ““Helicopter-based search and rescue can cost as much as $100,000 per mission,” he told The Robot Report. “Lidar is good but power-hungry, and you can’t wait for smoke to clear in emergency conditions.” Inspired by bats’ ability to navigate in damp, dusty caves, Sanket’s team is designing aerial drones that can use echolocation. Navigating based on ultrasound technology can expand the area that can be searched at night, in wildfires, or in fog.”
72% of devs believe Steam has a monopoly on PC games, according to study: Wenn man an Tech-Monopole denkt, dann fallen einem wahrscheinlich am ehesten Unternehmen wie Microsoft, Apple oder Amazon ein, bei denen man darüber nachdenken kann, ob sie auf bestimmten Märkten ein Monopol haben könnten. Aber wer würde an Steam denken? “More than half of developers feel they rely too heavily on Steam to distribute their games, with 72% believing the platform has a monopoly on the PC games market.”
Norway reviews cybersecurity after hidden remote-access feature found in Chinese buses: Interessante Geschichte aus Norwegen. Dort hat man festgestellt, dass in E-Bussen aus China SIM-Karten verbaut waren, von denen die Käufer nichts wussten. Was die genau machen und mit wem sie funken sollten bleibt unklar, nur bedeutet das, dass grundsätzlich die Möglichkeit bestand, dass jemand auch von außen die Dinger einfach stillegen könnte. Womöglich. “According to Ruter, internal tests at a secure facility found Romanian SIM cards inside the buses, theoretically allowing the Chinese supplier to shut down vehicles or interfere via software updates. The transport operator stressed there is no evidence of misuse but said the discovery moves concerns “from suspicion to concrete knowledge”.”
Passwort: "insecure": Wo wir beim Thema Sicherheit sind, erinnert sich noch jemand an den Cyberangriff auf den IT-Dienstleister des Berliner Flughafens und die Folgen? Die “Zeit” hat die Hintergründe ganz nett zusammengeschrieben. Das fängt zum Beispiel damit an: “Mitte Oktober veröffentlichte eine Hackergruppe, die sich selbst Everest nennt, ihre Darstellung des Vorfalls im Darknet. Die Angreifer wollen sich demnach bereits am 10. September Zugang zu den Systemen von Collins verschafft haben. Ihr Einfallstor sei ein Account gewesen, der nur mit dem Passwort "muse-insecure" gesichert gewesen sein soll.” Und ganz ehrlich, ähnlich geht es weiter.
What caused the large AWS outage?: Und da war doch noch der kürzliche AWS-Ausfall, der das halbe Internet lahmgelegt hat. Hier erklärt jemand, was genau dahinter steckt. Ja, es ist sehr technisch, aber die Crux ist: Ein minimales Problem mit maximaler Wirkung (interessant: sogar ein Fußballspiel war betroffen). “The latest outage was caused by DynamoDB’s DNS failure. DynamoDB is a serverless NoSQL database built for durability and high availability, which promises 99.99% uptime as its service level agreement (SLA), when set to multi-availability zone (AZ) replication.”
Coke’s New AI-Generated Ad Required 100 Staff and 70,000 AI-Generated Clips, and It Still Looks Like Garbage: KI nimmt uns allen die Arbeitsplätze weg… zum Beispiel beim Erstellen von Werbevideos. Äh? Die dann nicht mal richtig gut aussehen. Aber vor allem: “he company’s dueling bored-sounding podcast personas revealed that the ad team “churned out” more than 70,000 video clips to create a finished product, which sounds incredibly inefficient. The important part to Coke, though, was that it only took five “AI specialists” and a month to make. But in total, around 100 people were involved in the new commercial campaign.”
Undisruptable Technology im Bild
THIS CLANKER IS USELESS pic.twitter.com/5QjNYpcqzO
— bishara (@bishara) October 30, 2025
Aus der Rubrik: Die Maschinen werden uns alle unsere Jobs wegnehmen.
Und zuletzt...
Jetzt sind wir schon fast am Ende dieses kleinen, handgestrickten Newsletters und haben noch nichts über den Wikipedia-Killer geschrieben. Die “Grokipedia”, die endlich mal sagt, wie es ist. Also das, was Querdenker und abgedriftete Ex-Journalisten uns hier und da in diesem Internet schon länger erzählen, wenn sie nicht gerade darüber schwadronieren, wer Corona erfunden hat und warum die Impfung immer noch ein Verbrechen ist/war/sein wird. Jetzt endlich mal für das Medium Lexikon. Der “Rolling Stone” schreibt darüber ganz launig: “These mounting grievances precipitated the creation of Grokipedia as a recalibrated Wikipedia competitor, which is obvious just from looking at its virtually endless page on Elon Musk: there is no mention of the Inauguration Day salute whatsoever, let alone its resemblance to a notorious fascist gesture. Instead, Grokipedia readers are treated to flattering but questionable factoids about the man whose company built the website, including that he allegedly works “80-100 hours” per week and reportedly lost 20 pounds through intermittent fasting. Other embarrassing incidents are downplayed: whereas Wikipedia devotes a section of its Musk article to his messy “feud with Donald Trump” this spring, including the detail that Musk invoked Trump’s ties to the late sex offender Jeffrey Epstein, Grokipedia only passingly mentions a “public disagreement” with Trump — on policy issues.”
Ich hab mal Dinge eingegeben, die mich interessiert haben, und entweder kommt dort… nichts, allenfalls Verweise auf Texte, in denen der Begriff mal vorkommt. Oder es sind lang-,lang-, langatmige Textwüsten weiß auf schwarz. Dunkel und düster, passt irgendwie. Es liest sich wie von einer KI für andere KIen geschrieben. Mensch, Verstand und Neugier sind da nur störend.
Am Ende kommt der Artikel zum Schluss: “Make no mistake: unlike Wikipedia’s articles, the hundreds of thousands of pages on Grokipedia don’t represent any human effort to arrive at some consensus version of reality. They’re words scraped from around the web, rearranged, revised, and laced with the most toxic parts of Musk’s worldview.”