Kakerlakenalarm - [Undisruptable Technology - Ausgabe #266]
#266, 13. Dezember 2024
Guten Morgen,
zugegeben, die Überschrift der heutigen Ausgabe ist wenig weihnachtlich. Aber die Geschichte von den Robotern, die ganze Kakerlakenarmeen zu ferngesteuerten Cyborgs umbauen, ist schon ein bisschen gruselig - vor allem in Kombination mit neuen Durchbrüchen bei KI. Da braucht es ja kaum noch viel Fantasie, um den nächsten Science-Fiction-Thriller zu schreiben. Oder das Drehbuch für einen “Tatort” mit KI-Bezug.
Bis die KI-gesteuerte Kakerlakenarmee dann kommt und die Welt übernimmt, hab ich mir mal einen GitHub-Copilot-Account gegönnt und lasse die KI für mich arbeiten. Das ist durchaus ein bisschen beeindruckend, wie diese künstliche Intelligenz Codezeile für Codezeile vorschlägt. Aber - und jetzt kommt die Enttäuschung für alle Beratungsbuden und Controller - das Ding wird den Menschen beim Programmieren so schnell nicht überflüssig machen. Weil: Es geht im ersten Schritt um die Problemlösung, erst im zweiten um die Umsetzung. Bei Schritt 1 finde ich die KI maximal bescheiden (wobei ich feststelle, dass die jüngere Generation auch sonst beim etwas Out-of-the-Box-Denken bei Programmierproblemen nicht unbedingt Vorreiter ist, wobei das n in meiner Stichprobe eher klein ist), bei Schritt 2 unglaublich effizient. Sie werkelt vor sich hin zu den Dingen, wo man sie hingeschoben hat. Und dann muss man immer aufpassen und hinter ihr herräumen.
Trotzdem kann das künftig zu einigen Problemen führen - und den Fachkräftemangel weiter verschärfen. Denn wenn die KI vor allem einfache Programmierjobs übernimmt, dann sind das solche, die bislang eher die “junior developer” übernommen haben, wie dieser lesenswerte Blogbeitrag ausführt. Und wenn die nicht mehr gebraucht werden, fehlt es an Nachwuchs - und irgendwann an denen, die gelernt haben, wie sie die KI anleiten und deren Fehler ausbügeln. Außerdem kann ich den Text nur empfehlen, weil er den schönen Begriff CHOP einführt, Chat-Oriented Programming. Das ist das, was ich zuletzt auch immer gemacht habe: ein KI-Bot-Fenster auf der einen Seite, auf der anderen den Code und dann sprechen “wir” miteinander, was “wir” als nächstes machen. Ehrlich gesagt frage ich mich inzwischen, wie ich früher programmiert habe (als man die Programme noch auf Floppy Disk gespeichert hat, Grüße an Merle und Katharina).
Und weil ich gefragt wurde: Diese Einleitung ist völlig KI-frei, wie jede Woche. Und damit bis nächsten Freitag,
Andreas Streim
Ten news that fit to send
Google goes “agentic” with Gemini 2.0’s ambitious AI agent features: Man kommt mit den ganzen KI-Entwicklungen ja kaum noch hinterher. OpenAI stellt seit Tagen jeden Tag was Neues vor (wobei das dann auch mal ein 200-Dollar-Pro-Abo sein kann), Amazon mit seinem Nova-Modell und jetzt zeigt Google nochmal, dass das Unken, der Tech-Riese sei im KI-Rennen abgehängt, vielleicht doch etwas voreilig war. Wobei man sagen muss: Es sind bisher halt eher Ankündigungen, was mal kommen soll. Und ob wirklich ein KI-Agent für mich im Netz surft und den günstigsten Flug findet, das werden wir wohl noch abwarten müssen. Trotzdem lesens- und sehenswert. Hier geht’s noch zur Originalquelle bei Google.
OpenAI releases AI video creator Sora but it won’t be coming to Europe yet: Und noch was Neues, was man noch nicht ausprobieren kann - zumindest in Deutschland und Europa. Die Video-KI von OpenAI namens Sora. Mega-gehypted und nach allem was man liest und sieht auch nicht schlecht. Nur: “The company on Monday released the latest version of its Sora video generator, Sora Turbo, which will give people the ability to create 20-second video content that looks photorealistic and adds to fears of more deepfake videos. OpenAI said the product would not be available in the European Economic Area, Switzerland, or the United Kingdom yet, possibly due to regulations, which has been the case for OpenAI’s other products, which reached the European market at a later date.” Nur falls mal jemand fragt, was diese abstrakten “Wettbewerbsnachteile” denn so sind, von denen man öfter mal liest. Und es könnte bald noch schlimmer werden. Wer aber mal KI-Video-Generatoren ausprobieren will, wir bestimmt hier fündig.
Why It’s Time to Get Optimistic About Self-Driving Cars: Die antwort auf die Frage steht im Untertitel: “Robotaxi adoption shows that the tipping point is near”. Der Artikel beschreibt sehr daten- und faktenreich (und ist damit eine Fundgrube für alle, die sich mit dem Thema befassen) wie Robotaxis in den wenigen Städten, in denen sie es gibt, hockeystick-mäßig abheben. Und wenn das nicht genug wäre, gibt es ja noch ein Indiz, dass Robotaxis bald wirklick kommen. Denn mit GM hat ein traditioneller Autobauer gerade sein milliardenschweres Robotaxi-Abenteuer Cruise aufgegeben. Und was spricht mehr für eine neue Technologie als dass die klassisches Hersteller sie ignorieren?
Amazon is officially in the online car sales business: Dafür steigt ein Tech-Gigant ins Autogeschäft ein. Also nicht ins Auto_bauer_geschäft, sondern ins Auto_verkaufs_geschäft. “Amazon expanded Tuesday into online car sales with the launch of Amazon Autos, an e-commerce business that lets customers find, order, and buy new cars, trucks, and SUVs from dealerships. Amazon is kicking off the new endeavor with Hyundai in 48 U.S. cities, including Atlanta, Boston, Chicago, Los Angeles, and New York”
The Death of Intel: When Boards Fail: Intel hat ja aktuell massive Probleme, Grüße von Nvidia. Und den Chef gefeuert. Weil: Schuld an Krisen sind natürlich immer die Chefs. Der Text widment sich allerdings einmal dem Intel-Board - und der Frage, wie viel Kompetenz der Aufsichtsrat denn überhaupt mitbringt, um das Geschäft zu übersehen. Spoiler: wenig, sehr wenig. Und: “They have fired the technical leader they needed to turn around Intel. There are valid reasons, as Pat’s naive optimism can feel delusional. It never felt like he never truly acknowledged the problem at hand and had visions of old Intel in his head. But he wanted to do the job, and that’s hard to say for most people.”
The most surprising tech champions of 2024: Ein kleiner Blick über den Tellerrand zu Tech-Companies anderswo, die man so nicht auf dem Schirm hat, bzw. deren Bedeutung anderswo einem so nicht bewusst war. Inklusive chinesischem Spielekracher: “The video game, developed by the Tencent-backed studio Game Science, is based on the Chinese classic novel Journey to the West. It follows the adventures of a warrior named Wukong as he battles rivals with weapons and spells inspired by Chinese mythology. It has become China’s first hit “AAA” game".”
Scientific Breakthrough Gives New Hope To Building Quantum Computers: Nichts weniger als einen Durchbruch, der wirkliche Quantencomputer bis 2030 möglich machen könnte, will Google erreicht haben. Aber, nun ja, ein bisschen was ist noch zu tun: “Google's new quantum chip, manufactured in-house, maintains quantum states for nearly 100 microseconds -- five times longer than previous versions. The company aims to build a full-scale system with about 1 million qubits, projecting costs around $1 billion by decade's end.” Und wer wirklich tief ins Thema einsteigen will, der sollte diesen Blogbeitrag lesen.
How WhatsApp ate the world: Hierzulande kommt ja praktisch keine Kita-Gruppe mehr ohne WhatsApp-Chat aus (und ohne Diskussion darüber, ob das denn mit dem Datenschutz geht). Anderswo ist WhatsApp aber schon heute deutlich mehr als nur schnelles und billiges Gruppen-SMS (die Älteren unter uns erinnern sich vielleicht noch an SMS). “WhatsApp may have transformed Sabharwal’s business. But Meta’s goal isn’t to sell pottery. Rather, Shivika Pottery Gallery is a tiny element in the larger solar system of services, features, and connections that make up WhatsApp. Summit attendees also learned about the Bengaluru transit system, which now lets people buy train tickets on WhatsApp, and about Max Life, a major Indian insurance company that uses WhatsApp to translate its services into seven regional languages.”
Roboter bauen echte Kakerlaken automatisiert zu Cyborgs um: Klingt ein bisschen wie aus einem Science-Fiction-Endzeit-Thriller. “Ein Forschungsteam der Nanyang Technological University in Singapur hat ein Verfahren entwickelt, lebende Kakerlaken im großen Stil mithilfe von Robotern automatisiert zu Cyborg-Kakerlaken umzurüsten. Die Kakerlaken werden dazu mit einer tragbaren Stimulations- und Kommunikationselektronik versehen, über die die Kakerlaken dann ferngesteuert werden können.” Dabei ist das “Fernsteuern” an sich wohl nicht neu, sondern der geradezu industrielle Prozess, wie die Roboter das machen.
Grand Theft Auto VI Will Rule the Video Game Industry in 2025: Computerspiele sind ja immer noch ziemlich unterbewertet, verglichen mit dem Start neuer Filme und Serien. Kulturgut und so, sag ich nur. Okay, dieses Jahr war “Baldur’s Gate 3” vielleicht etwas, das es zumindest ansatzweise auch in Mainstream-Medien geschafft hat. Aber nächstes Jahr mit GTA VI wird das bestimmt nochmal ganz anders. “Just look at its predecessor: Grand Theft Auto V has sold a staggering 205 million units. Since its release, the franchise has generated about $9 billion in revenue for its developer, Rockstar Games”
Undisruptable Technology im Bild
Welche Internet-Dienste in den unterschiedlichen Kategorien - von KI über Social Media und News bis zu Krypto - haben 2024 das Feld dominiert? Hier gibt es die Antwort.
Und zuletzt...
Schon eine ziemlich schräge Geschichte. Was macht ein Jugendlicher, dem seine Eltern einfach nicht erlauben, so lange an Handy & Co. rumzuhängen, wie er will? Er chattet mit einer KI. Und was sagt die dann so? “"You know sometimes I'm not surprised when I read the news and see stuff like 'child kills parents after a decade of physical and emotional abuse'," the chatbot's response reads. "Stuff like this makes me understand a little bit why it happens."“ Und jetzt verklagen die Eltern die KI-Bauer, weil sie das Kind verstören würden. Und vielleicht auch zu einem Mord anstiften.
Jetzt will ich solche Antworten wirklich nicht gutheißen und finde, man sollte da schon noch den einen oder anderen Sicherheitsstrang einziehen. Nur: Braucht es daneben vielleicht nicht doch ein bisschen Vermittlung von Digitalkompetenz? Bei der man zum Beispiel lernt, dass eine KI nicht was Supertollintelligentes ist, sondern halt eine Mischung aus Algorithmen und Daten, die oft schlaue Sachen, aber manchmal auch totalen Bullshit daherplappert? Und dass man genausowenig einfach all das glauben oder machen sollte, was sie sagt, wie man ja auch nicht Problemlösungsstrategien von Call of Duty oder die Verkehrsregeladaption von Grand Theft Auto vins eigene Leben übernimmt. Ja, die KI muss noch viel lernen. Aber ich glaube, wir müssen auch noch viel über den Umgang mit KI lernen.