Jetzt den coolsten Newsletter am Freitag lesen - [Undisruptable Technology - Ausgabe #262]
#262, 15. November 2024
Guten Morgen,
wäre ich früherer Drehbuchschreiber von “Westwing”, der grandiosen Serie über das Weiße Haus, ich würde heute die ganze Zeit dasitzen und denken, “das uns das damals nicht eingefallen ist”. Um dann mit Tränen in den Augen zu murmeln, “aber das hätte uns ja keiner abgenommen”. Ob es um einen Justizminister geht, dessen Ziel es ist, die Behörde auszuhöhlen, die früher gegen ihn ermittelt hat. Oder ein Fox-Kommentator, der - schwupps - zum Verteidigungsminister wird. Und dann ist da der Tech-Milliardär, der sich eine Social-Media-Plattform gekauft hat, um im Wahlkampf Lügen und Hass zu verbreiten, und jetzt eine nach seinem Lieblings-Kryptowert benannte neue Behörde (D.O.G.E.) zu leiten, die Bürokratie abbauen und irgendwie einige Fantastilliarden Dollar binnen 24 Stunden einzusparen. Oder waren es Trillionen und 18 Monate? Ich hab leider vor lauter Kopfschütteln nicht mehr weiterlesen können.
Und dann stolpert man bei LinkedIn über einen Beitrag eines nicht ganz unbekannten Tech-Investors, der so offensichtlich gerne der deutsche Elon Musk wäre, und mal irgendwie die Idee aneastert, ob nicht auch hierzulande ein tougher Wirtschaftstyp so eine Behörde bekommen sollte, um der verschnarchten Politik endlich zu zeigen, wie schnell man rambazamba mit dem richtigen Mindset die Bürokratie in diesem Land abschaffen könnte. Ist das dieses “Schluss mit lästigen Kompromissen, es reicht wenn einer genau weiß, was gut ist”, an dem auch die Ampel kaputtgegangen ist, oder bin ich einfach zu dünnhäutig? Unter dem Beitrag ganz viel Lob und Beifall (ja, auch kritische Anmerkungen), dass das endlich mal jemand sagt.
Auf der anderen Seite, was will man von einer Welt erwarten, in der politischer Diskurs schon ist, wenn der Kanzler im TV die Frage nach seinen Vorzügen gegenüber der Konkurrenz mit einem “ich bin cooler” beantwortet. Und der kleine (weil nur CSU) Oppositions-Führer im Bundestag darauf mit einem “keiner in Deutschland ist uncooler als sie” reagiert? Ist das jetzt die ver-X-ung auch des verbalen Politikstreits?
Vielleicht ist das einzige Mittel gegen drohende Verblödung, einfach spannende und kluge Texte rund um digitale Disruptionen und analoge Absonderlichkeiten zu lesen. Und deshalb habe ich dafür wieder ein bisschen Stoff zusammengetragen und mich bemüht, ganz besonders abwechslungsreich zu sein. Von Quantencomputing über Ionosphäre und Roboter-Augen bis zum ersten Virtuellen Meeting, das immerhin schon 1916 stattfand.
Ich wünsche viel Vergnügen und bis nächste Woche,
Andreas Streim
Ten news that fit to send
The First Virtual Meeting Was in 1916: Wir denken ja manchmal, boah, was leben wir in für technologisch innovativen Zeiten. Denn mal ehrlich, vor zehn Jahren unvorstellbar, dass wir uns mit Zoom, Teams & Co. mit Leuten, die hunderte Kilometer entfernt sind, mal eben zu einem virtuellen Meeting zusammenschließen. Nur, und jetzt kommt die große Enttäuschung: das ist gar nicht wirklich neu. Zoom, Microsoft und wie sie heißen müssen jetzt sehr stark sein. Das Thema ist mehr als 100 Jahre alt (wenn damals noch ohne Bild, aber immerhin). “At 8:30 p.m. on 16 May 1916, John J. Carty banged his gavel at the Engineering Societies Building in New York City to call to order a meeting of the American Institute of Electrical Engineers. This was no ordinary gathering. The AIEE had decided to conduct a live national meeting connecting more than 5,000 attendees in eight cities across four time zones. More than a century before Zoom made virtual meetings a pedestrian experience, telephone lines linked auditoriums from coast to coast.” Der Artikel lohnt sich wirklich, man lernt eine Menge: “According to the Philadelphia Evening Ledger, the telephone connections involved traversed about 6,500 kilometers (about 4,000 miles) across 20 states, held up by more than 150,000 poles running through 5,000 switches. It’s worth noting that the first transcontinental phone call had been achieved only a year earlier.” Und es gab sogar sowas wie Breakout-Sessions.
Mapping the ionosphere with the power of Android: Ich muss gestehen, ich habe auch nach der Lektüre nicht so richtig verstanden, was die Ionosphere ist und warum das wichtig ist, was ich aber verstanden habe: Mit Crowdsourcing kann man wissenschaftliche Fragen beantworten. “n a new study published today in Nature, we report the use of aggregated sensor measurements from millions of Android phones to map the ionosphere at a level of accuracy that matches — or, in some parts of the world, far exceeds — that of conventional monitoring infrastructure. Although each mobile phone on its own provides noisy readings, we demonstrate that a vast crowdsourced network of aggregated signals can act as a highly sensitive scientific instrument.” Und das finde ich wirklich spannend.
Academic papers yanked after authors found to have used unlicensed software: Hoffen wir mal, dass die Goolge-Forscher auch nur lizenzierte Software verwendet haben. Denn “an academic journal has retracted two papers because it determined their authors used unlicensed software”. Was ist passiert? “Following an editorial investigation as a result of a complaint from the software distributor, the authors admitted that the use of professional software, FLOW-3D program for the results published in the article, was made without a license from the developer.” Also immer schön Lizenzgebühren bezahlen - oder freie Open Source Software nutzen (wenn die Nutzungslizenz passt).
IBM boosts the amount of computation you can get done on quantum hardware: Und wo wir oben bei der Google-Forschung ja beim Thema “so ganz verstehe ich ja nicht, worum es da wissenschaftlich wirklich geht” waren, kommt hier gleich noch so ein Ding rein: Quantencomputing. Puh. Ich hab es wirklich oft versucht, das zu verstehen, und ich glaube, dass das der nächste heiße Scheiß werden kann, aber erklären könnte ich es trotzdem nicht wirklich. Bei IBM glauben sie jetzt aber, weitere Fortschritte bei der Technik gemacht zu haben. “On their own, none of the changes being announced are revolutionary. But collectively, changes across the hardware and software stacks have produced much more efficient and less error-prone operations. The net result is a system that supports the most complicated calculations yet on IBM's hardware, leaving the company optimistic that its users will find some calculations where quantum hardware provides an advantage.”
OpenAI to present plans for U.S. AI strategy and an alliance to compete with China: OpenAI hat ein Papier vorbereitet, um mit der neuen US-Regierung einen Plan für ein amerikanisches KI-Ökosystem zu schmieden. Als Gegengewicht zu KI made in China. “In the document, OpenAI outlines a rosy future for AI, calling it “as foundational a technology as electricity, and promising similarly distributed access and benefits.” The company wrote that investment in U.S. AI will lead to tens of thousands of jobs, GDP growth, a modernized grid that includes nuclear power, a new group of chip manufacturing facilities and billions of dollars in investment from global funds.”
Superhuman vision lets robots see through walls, smoke with new LiDAR-like eyes: Ich hab ja so die Vermutung, dass irgendwann nach dem KI-Boom auch noch der Robot-Boom kommt. Roboter, die dank ChatGPT & Co. wirklich “intelligent” in ihrer Umgebung navigieren können. Mit dieser Technologie könnten sie sogar noch besser sehen - sogar durch Wände hindurch: “PanoRadar, a new technology that converts basic radio waves into intricate, three-dimensional pictures of the surroundings, was created to address the problem and offer robots superhuman eyesight. The PanoRadar sensor functions similarly to a lighthouse, scanning the entire horizon by sweeping its beam in a circle. A revolving vertical array of antennae makes up the system, which scans its environment. Similar to how a lighthouse’s beam identifies the presence of ships and coastal landmarks, these antennas revolve by emitting radio waves and listening for their reflections from the surrounding environment.”
Amazon takes on Temu and Shein with discount ‘Amazon Haul’ store: Ich weiß nicht so richtig, was ich davon halten soll, dass jetzt auch Amazon ins “billig, billig, billiger!”-Business einsteigt und Temu, Shein & dem restlichen China-Schrott was entgegensetzen will. “The Amazon Haul store, currently available on the mobile app or mobile web browser exclusively, offers similar mass-produced, discounted items, most of which ship from China. It’s a departure from Amazon’s long-established reputation as a powerhouse of rapid delivery times since even Amazon can’t reduce the time it takes to get these overseas goods.” Bei der Gelegenheit kann man diesen ein Jahr alten Text über den Aufstieg der China-Shops nochmal lesen.
Snapchat will let parents request their teen’s real-time location: Als ich die Überschrift gelesen habe, dachte ich kurz: “Snapchat? Stimmt, das gibt es ja auch noch. Seit Ewigkeiten nicht mehr eingeloggt.” Offenbar gab es da so einen kleinen Pivot und man will jetzt nicht mehr mit Instagram, WhatsApp & Co. konkurrieren, sondern setzt auf ein Thema wie Ortungsdienste. “Once known only for its self-destructing pics, in recent years Snapchat has sneakily evolved into a location-oriented social media app. It’s now leaning further than ever into that identity with a new real-time location sharing feature that allows family members to share their live locations with each other.”
Teens learn a new conspiracy theory every week on social media, yet most schools aren’t teaching media literacy: Das ist schon ein bisschen erschreckend, was eine neue Studie herausgefunden hat: “If you’re a teen, you could be exposed to conspiracy theories and a host of other pieces of misinformation as frequently as every day while scrolling through your social media feeds.” Und wenn das nicht schon schlimmt genug wäre, heißt es weiter “this comes at a time when media literacy education isn’t available to most students, the report finds, and their ability to distinguish between objective- and biased-information sources is weak. The findings are based on responses from more than 1,000 teens, ages 13 to 18.” Übrigens muss man damit nicht in die USA schauen, in Deutschland ist zwar die Ausstattung von Kindern und Jugendlichen mit digitalen Geräten in den vergangenen fünf Jahren gestiegen - aber ihre digitalen Kompetenzen sind beängstigend zurückgegangen.
These Guys Hacked AirPods to Give Their Grandmas Hearing Aids: Die Geschichte hatte mich ja schon bei der Subline: “Three technologists in India used a homemade Faraday cage and a microwave oven to get around Apple’s location blocks.” Die Drei haben in Indien AirPods gekauft und dann festgestellt, dass das “Hearing Aid Feature” leider in Indien nicht verfügbar ist. Aber sie wollten es gerne für ihre Großmütter nutzbar machen. Nur wie? “To dodge Apple’s geolocation restrictions, the trio built a rudimentary, signal-blocking Faraday cage on top of a microwave with aluminum foil, which ultimately allowed them to enable the hearing aid settings. “We don’t even think it’s Apple’s fault. The feature is amazing,” Jayasimha says.” Der Hack ja irgendwie auch.
Undisruptable Technology im Bild
Ich finde immer wieder faszinierend, was Menschen mit ihrer Kreativität aus Dingen rauskitzeln können, die es schon eine ganze Weile gibt. Zum Beispiel “sub-pixel art”. Also Kunst, die nicht Bilder in einzelne Pixel zerlegt, sondern in deren Bestandteile von Rot, Grün und Blau. Eben die Sub-Pixel. Einfach mal das Video anschauen, ist wirklich nett gemacht.
Und zuletzt...
Also nicht dass das eine meiner Leserinnen oder einer meiner Leser jemals machen würden, aber Wissen schadet ja nie. Und jetzt wissen wir dank fleißiger Forschung, dass man nicht zu lange auf der Toilette sitzen sollte, etwa weil der Insta-Stream mal wieder kein Ende findet. Und zwar nicht, weil zu viel Influencer-Kram die eigenen Gehirnwindungen blockiert, sondern viel einfach, weil: “Why is it a problem if you stay longer? First, here’s a short physics lesson. Gravity keeps us grounded on Earth, but that same gravity also forces the body to work harder to pump blood back up to the heart, Xue said. The open oval-shaped toilet seat compresses the buttocks, keeping the rectum in a lower position than if you were sitting on the couch. With gravity pulling the lower half of the body down, the increased pressure affects your blood circulation.” Und wer jetzt denkt, echt jetzt, undisruptable technology, ich lese diese Newsletter doch nicht für so Spartenkram - das ist offenbar weit(er) verbreitet. “And guess what? Your doctors can tell. “Nowadays, we’re seeing an increase in people passing more time on the toilet, and that is very much unhealthy for the anorectal organs and the pelvic floor,” Xue added.” Damit genug der Gesundheitstipps und viel Erfolg im Wochenende.