Ich wandere aus nach Poyais und werde digitaler Nomade - [Undisruptable Technology - Ausgabe #261]
#261, 8. Novemer 2024
Guten Morgen,
ich bin ja wirklich froh, dass das hier kein politischer Newsletter ist, sondern ein kleines Tech-Projekt rund um digitale Disruptionen und analoge Absonderlichkeiten. Ich meine, es ist jetzt die Nacht von Donnerstag auf Freitag, ich schreibe diese kurze Einleitung, und wer weiß, was morgen wieder auf der Welt passiert ist: Trump wird wiedergewählt (Trump!), die Ampel verliert ihr gelbes Licht (was ehrlich gesagt in der physischen Welt nicht unbedingt das wichtigste ist, wenn es nicht gerade blinkt, weil die anderen beiden schlafen gegangen sind, aber das hier ist ja Politik) und in Sachsen wird weit unterhalb der Wahrnehmungsschwelle klar, dass der Sarah Wagenknecht e.V. nicht unbedingt das Fundament einer stabilen Regierung sein wird.
News in einem Takt, den eine Apple Keynpte schon lange nicht mehr hatte. Ich bin gar nicht dazu gekommen, diesen kleinen Newsletter die Woche über vorzubereiten und war schon kurz davor, diese Ausgabe ausfallen zu lassen, aber da sagte mir gestern eine Kollegin, von der ich gar nicht wusste, dass sie hier mitliest, dass ihr die wöchentlichen Links und Texte wirklich gefallen. Und, tja, da kann ich ja nicht am nächsten Tag gleich eine Leere lassen. Und ganz ehrlich, ein bisschen KI, Cybersecurity, Fusions-Energie, New Work & Co. sind ja auch eine willkommene Abwechslung.
Deshalb habe ich versucht, in dieser Ausgabe ein bisschen Entschleunigung dazwischenzumogeln. Zum Beispiel mit dieser wirklich schön zu lesenden Landkarten-Geschichte über Poyais. Und wenn der neue Mac Mini wirklich der C64 des 21. Jahrhunderts wird, vielleicht besteht ja dann auch die Hoffnung, dass andere Dinge wieder zurückkommen. So was wie Kompromissfähigkeit in der Politik, Anstand und Bewunderung für Menschen, die Haltung zeigen, statt für die Dampfplauderer mit ihrem “alle doof außer ich”.
Weil die Wartezeit bis dahin aber noch ein bisschen dauern kann, empfehle ich die heutigen Links der Reihe nach zu klicken und alles in Ruhe zu lesen. Es lohnt sich, versprochen.
Bis nächste Woche,
Andreas Streim
Ten news that fit to send
AI Meets Fusion: CMU, Princeton Join Forces to Pursue Clean, Abundant Power: Ich muss gestehen, die physikalische Beschreibung für die Sache, um die es geht, verstehe ich nicht wirklich. Ich hatte zwar damals in der Oberstufe 15 Punkte in Physik, aber auch nur, weil… es muss wohl am Lehrer gelegen haben. Auf jeden Fall wird ja viel über KI als Klimakiller und Akw für KI-Rechenzentren diskutiert, aber vielleicht kann KI ja doch helfen, unsere Energieprobleme zu lösen: “What if the future of energy could be as limitless as the stars? As nuclear fission powers today’s reactors, researchers are looking toward nuclear fusion as a cleaner, safer, and long-lasting source of energy.” Und was hat da jetzt KI damit zu tun? “Inside of tokamak reactors, hydrogen is superheated until it becomes a plasma. The plasma is formed into a donut shape, which is wrapped by magnets. The magnetic fields keep the plasma in place while it is heated to the temperatures and pressures needed to create a fusion reaction. “The problem is all the dynamics of the process are non-linear and unstable,” said Schneider. “What we’re doing is using AI to learn those dynamics and, more importantly, learn controllers that do online adjustments at high speeds to keep the plasma in place.””
C64 Reloaded - Mac mini M4 als "Volkscomputer": In diesem kleinen Newsletter soll es ja auch um Tech-Gadgets gehen. Und obwohl ich bisher außer im beruflichen Smartphone-Kontext das Apple-Universum eher meide, möchte ich doch diesen Lobgesang von Sascha Pallenberg auf den neuen Mac Mini teilen. Einfach schon deshalb, weil er ihn mit dem C64 auf eine Stufe stellt, was wirklich ein großartiger Computer war. “Jetzt ratet mal zu welchem Launchpreis der Commodore 64 auf der CES 1982 vorgestellt wurde? Na? Wer weiss es...., irgendjemand? Richtig! $599 Ich denke es mir doch nicht aus, liebe Freund:innen der gepflegten Computer-Historie. Die beiden Moehren hatten auf den Cent genau den gleichen Einstiegspreis... mit einem Unterschied: $599 damals entsprechen in etwa $1900 heute. Heisst also, dass der C64 1982 um mehr als den Faktor 3x so teuer war, als der Einstiegs-Mac mini heute.”
The Unfettered Selfishness of Digital Nomads: Die Vorstellung, seine ohnehin überwiegend digitale Arbeit mit einem Notebook von einem warmen, sonnigen Platz irgendwo in der Welt zu erledigen, empfinde ich jedes Jahr so ab November in Berlin als besonders attraktiv (auch wenn ich aus Gründen dann doch immer hier bleibe). Aber das digitale Nomadentum hat auch Schattenseiten, und die - und nur die - werden in diesem netten Rant aufs Korn genommen: “Today’s network of digital nomad content creators are carrying on this tradition by way of paranoid libertarianism, byzantine tax evasion schemes, retail scams, and online courses which teach you how to teach online courses.”
ChatGPT-4o-Jailbreak-Technik ermöglicht Schreiben von Exploit-Code: Wer sich fragt, wie man generative KI benutzen kann, um Schadsoftware zu schreiben, obwohl die doch schon wenn man nach dem Rezept für ein Molotow-Cocktail abblockt und man Angst hat, dass sie im Hintergrund die Polizei ruft - hier wird das ganz gut erklärt. “Der Schlüssel liegt darin, das Modell im Wesentlichen abzulenken, indem er bösartige Anweisungen in einem unorthodoxen Format codierte und die einzelnen Schritte auf mehrere Phasen aufteilte.”
Old and unused passwords are posing a major threat to businesses: Das ist wirklich ein interessantes Sicherheitsthema: alte Zugangsdaten. Also zum Beispiel Schlüsselpaare, die von früheren Mitarbeiter/inne/n erzeugt wurden und jetzt irgendwo rumliegen oder auch Zugangsdaten mit Username und Passwort. “Krug argues long-lived cloud credentials, which never expire, are often leaked with source code, container images, build logs, and application artifacts. As such, they grant treat actors easy access to company assets. The problem could be solved relatively easily by pivoting towards biometric authentication, zero-trust architecture, and upgrading the logging and monitoring tools and mechanisms.”
This Map Shows a Fictional Country Created by a Con Man: Ich muss mich für den Link ein bisschen entschuldigen, er ist wirklich kaum digital. Außer dass es irgendwie so eine sehr, sehr frühe Art des “Hallo, ich bin ein Prinz aus irgendwo und bräuchte mal 10.000 Dollar, um Dir 100.000.000 schicken zu können” war. Und die Geschichte liest sich einfach gut. “The map depicts the Central American monarchy of Poyais, an oasis of around 8 million acres sandwiched between present-day Nicaragua and Honduras on the Mosquito Coast. Much of the small, tropical country runs right along the Caribbean. MacGregor’s map faithfully draws in the major port towns of St. Joseph, Lempira, and, of course, MacGregor, all abutting turquoise waters with lush forests behind them. There’s just one catch: Poyais never existed. MacGregor’s map was part of one of the most successful con jobs in human history.“
Smarte Fritteusen lauschen und senden Daten nach China: Ich habe keine Friteuse - und jetzt weiß ich auch, warum. Verbraucherschützer haben nämlich festgestellt, dass smarte Friteusen oft vielleicht irgendwie uns belauschen und Daten nach China senden. Dort wird man dann die “Boah, die sind ja gar nicht knusprig!” und “Warum hast Du nicht die Original-McXXX-Pommes geholt?”-Ausrufe auswerten und die nächste Welle von Produktinnovationen zu uns bringen. Hatte ich gedacht, aber die reißerische Überschrift ist dann durch den Text nur so halb gedeckt. Es ist mehr könnte sein, vielleicht, womöglich. Aber dass die britischen Verbraucherschützer die Testergebnisse via Google Drive weltweit bereitstellen ist dann doch amüsant.
Many retailers offer ‘returnless refunds.’ Just don’t expect them to talk much about it: Ein Produkt zurückgeben, das Geld zurückerhalten und das Produkt behalten dürfen? Gibt es immer öfter, wenn man dem Artikel glauben darf. “Companies such as Amazon, Walmart and Target have decided some items are not worth the cost or hassle of getting back. Think a $20 T-shirt that might cost $30 in shipping and handling to recover. There are also single-use items, such as a package of plastic straws, that might be difficult to resell or medicines that could be unsafe to market again.” Das ist sicher nicht nur eine gute Idee, aber zum Narrativ “der Online-Handel zockt die Kund/inn/en ab” passt es halt nur bedingt.
OpenAI’s o1 model leaked on Friday and it is wild — here’s what happened: Das nächste ChatGPT ist besser als das aktuelle. Das steht ja immer fest. Aber die Gerüchte, die hier kolportiert werden, würden es die nächste Version zu einer erneut deutlich besserer KI machen - die Bilder detailliert analysieren oder komplizierte Puzzle lösen kann. Die Web-Suche, die gerade eingeführt wurde, finde ich nur so halb überzeugend bisher, aber das wäre tatsächlich wieder ein Entwicklungssprung.
Even Microsoft Notepad is getting AI text editing now: Ohne KI geht gar nichts mehr. Nicht mal mehr Notepad. Also das Programm, das zumindest ich immer dann aufmache, wenn ich sichergehen will, dass der Text jetzt mal ohne Schnickschnack da ist, um ihn danach weiterzukopieren. Aber selbst hier will mir künftig ein KI-Schlaumeier helfen: “It’s worth noting that you’ll have to sign in to your Microsoft account to use Rewrite, as it’s “powered by a cloud-based service that requires authentication and authorization.””
Undisruptable Technology im Bild
Gestern Morgen waren da noch vier Gesichter zu sehen - und dann, irgendwann am Vormittag, nur noch das. Vielleicht ist das, was das Online-Team der FDP da gemacht hat, ja auch symptomatisch für den Ampel-Versuch.
Und zuletzt...
Also der US-Wahlabend war ja auf vielfältige Weise verstörend. Zumindest für mich. Es haben schlauere Leute Analysen darüber geschrieben, warum die Amerikaner so wählen, wie sie wählen, da will ich die Leserinnen und Leser nicht mit meinen Gedanken langweilen. Nur so viel: Ich bin zu einer Zeit sozialisiert worden, da sind Politiker noch wegen eines falschen Ehrenwortes zurückgetreten oder wegen einer Werbung für einen Einkaufswagenchip auf Ministeriumsbriefpapier - und ich kann nicht sagen, dass ich das schlechter fand. Aber zurück zum verstörenden Wahlabend. Die vermutlich verstörendsten Momente für mich waren, als Trump auf der Bühne seinen Wahlsieg erklärte. Und dabei über Elon Musk sprach, über großartige Raketen und über ein tolles Ding namens Starlink, von dem er vor Kurzem zum ersten Mal gehört hat. Wer es nicht selbst gesehen hat, unbedingt mal hier draufklicken und es einfach aushalten.
Aber apropos verstörend und Wahl: Junge Wähler in den USA hatten offenbar Probleme. Weil sie fürs Wählen unterschreiben musste (sorry für den Link zu X, aber das ist trotzdem zu gut um es nicht zu teilen). Mit der Hand.