Hätten wir ma' nicht gezögert bei die Digitalisierung, wa? [Undisruptable Technology - Ausgabe #276]
#276, 14. März 2025
Guten Morgen,
dieser Newsletter hat ja Woche für Woche unterschiedliche Schwerpunkte. Mal (ok, häufiger) geht es vermehrt um KI, mal um die politischen Entwicklungen in den USA (mit einem gewissen Digitalbezug). Das liegt daran, dass sich in “Undisruptable Technology” das findet, was mich persönlich in der Woche am meisten interessiert oder inspiriert hat. Oder was ich einfach am überraschendsten fand. Diese Woche sind es eine ganze Reihe Beiträge, die dem Untertitel von “digitalen Disruptionen” eigentlich ziemlich gut entsprechen, sei es die Autokonkurrenz aus China, das Blockchain-Grundbuch aus Indien oder die Roboter-KI von Google. Na gut, das Excel-Milliarden-Planungs-Tool aus Neuseeland ist dann wohl eher zwischen digitaler Disruption und analoger Absonderlichkeit anzusiedeln. Aber dennoch lesenswert.
Dazu passt auch die Studie zur Digitalisierung der (deutschen) Wirtschaft, die Bitkom jährlich erstellt und bei der ich die Freude habe, sie inhaltlich begleiten und die Vorstellung moderieren zu dürfen. 8 von 10 Unternehmen sagen darin, die aktuelle Wirtschaftskrise läge auch einer zu zögerlichen Digitalisierung. Die einen werden jetzt nach Captain Obvious rufen, die anderen sich eher freuen, dass späte Einsicht besser ist als gar keine. Die Frage ist nur, was wir jetzt daraus machen - und da passt es ja gut, dass gerade eine neue Bundesregierung zusammenverhandelt wird (mit Selfieverbot, aber wenn’s hilft). Bleibt zu hoffen, dass Digitalisierung dann dort nicht wieder nur ein Anhängsel bei einem “großen” Ministerium ist. Digitale Souveränität wird man nicht von heute auf morgen erreichen können, aber wenn man sieht, was im Abwehrkrieg der Ukraine gegen Russland etwa das kurzzeitige Aussetzen (bis die Ukraine zumindest den ersten Schritt gemacht hat, den die USA wollten) der US-Hilfen verursacht haben, dann ist sie unabdingbar. Kein Zugriff aus Satellitenbilder mehr, weil den Unternehmen die Lieferung verboten wurde, keine Updates für Störsender der F16-Flugzeuge und das Damoklesschwert einer Starlink-Abschaltung. Was, wenn im Weißen Haus nicht eine 200-Prozent-Steuer auf Riesling von der Mosel auf dem Tisch liegt, sondern es ans digitale Eingemachte geht? Fragen, die vor ein paar Jahren grotesk erschienen.
Aber jetzt doch zu den schönen Dingen des Lebens. Wie zum Beispiel einem 27.000-Dollar-Fake-Porsche aus China?
Bis nächste Woche,
Andreas Streim
P.S. Kommende Woche am 19. und 20. März findet in der Station Berlin die “TRANSFORM” statt. Für mich eines der Highlights im Bitkom-Jahr, einfach weil ich da jedes mal neue Dinge lerne. Es sind nicht immer nur die Top-Speakerinnen und -Speaker (die natürlich auch), sondern manchmal die ganz unerwarteten Talks oder Stände. Also, wer da noch nichts vor hat, es gibt noch Tickets.
Ten news that fit to send
In China bekommst du einen Porsche mit Tesla-Features für 27k€: Die Idee dieses kleinen Newsletters sind ja digitale Disruptionen - und da lohnt sich dieser Text wirklich. Es geht darum, unseren Blick auf die Autowelt zu weiten, wo ja immer noch viele denken, dass die Chinesen zwar billige Autos bauen, aber halt nicht an unsere tolle Qualität rankommen. “2021 kündigt Xiaomi an, ein Auto zu bauen. Natürlich hat sie niemand ernst genommen. Ein Smartphone-Hersteller will Autos bauen? Ein Chinese? Die Erwartungen waren niedrig. (…) Es gab nur ein Problem: Der chinesische EV-Markt ist ein Haifischbecken. EV-Startups schießen nur so aus dem Boden. Wie kann man da als Newcomer rausstechen? Die Lösung war gleichermaßen dreist und genial: Ihr erstes Auto sieht dem Porsche Taycan zum Verwechseln ähnlich. Der Unterschied? Mehr digitale Features. Und das für ein Viertel des Preises.”
$16B health dept managed finances with single Excel spreadsheet. It hasn’t gone well: Das ist ja eine Geschichte wie gemacht für diesen Newsletter. Also da hat das neuseeländische Gesundheitswesen mal alles richtig gemacht und für die Kostensteuerung voll auf Digitalisierung gesetzt. Nun, wobei, vielleicht nicht ganz auf die richtigen Tools: “The Deloitte-penned report also found an Excel spreadsheet was the “primary data file used by HNZ to manage its financial performance” and was used for “consolidation, journals, business-critical reporting, and analysis.””
A small town in India just made HISTORY: Zugegeben, rund um Blockchain habe ich hier zuletzt ziemlich wenig verlinkt. Es ist eine dieser Technologien, die nicht so richtig abhebt - aber eine große Base von Menschen hat, die fest an ihre Zukunft glauben. Und ab und zu gibt es ja auch solche Nachrichten wie diese, wo eine indische Stadt offenbar eine sinnvolle Blockchain-Anwendung gefunden hat: “They’ve moved all their land records to the blockchain.”
Why most countries are struggling to shut down 2G: Wir sprechen ja von flächendeckender 5G-Abdeckung und ab und an hört man schon 6G. Mir war ehrlich gesagt gar nicht klar, dass 2G noch ein Thema ist. “Hundreds of millions of people globally still rely on 2G phones. Factors such as affordability, lack of digital skills, and poor connectivity have kept basic phones relevant in the smartphone age. (…) While telecom regulators worldwide agree on ditching 2G, many haven’t yet figured out the timeline due to concerns over enabling digital disparity and disrupting tech-enabled devices like pollution data sensors and electricity monitoring equipment.”
Gemini Robotics brings AI into the physical world: Mal nicht ein neues Large-Language-Model (wobei die OCR-Fähigkeiten der neuesten Mistral-Lösung auch einen Link wert wären), sondern es geht um Roboter und KI. Und Google. “The first is Gemini Robotics, an advanced vision-language-action (VLA) model that was built on Gemini 2.0 with the addition of physical actions as a new output modality for the purpose of directly controlling robots. The second is Gemini Robotics-ER, a Gemini model with advanced spatial understanding, enabling roboticists to run their own programs using Gemini’s embodied reasoning (ER) abilities.” Und wer nicht so gerne liest, hier geht es direkt zum Video. Und wer noch die Sorge der USA vor der Roboter-Nation China verstehen will, der kann hier weiterlesen: America Is Missing The New Labor Economy – Robotics
What went wrong with Skype?: Ab und zu bekommen wir sie noch, diese Anfragen aus dem Bereich der öffentlich-rechtlichen audiovisuellen Medien, ob denn der Gesprächspartner das Remote-Interview bitte per Skype führen könne. Puh, Skype, klar, aber wie waren da nochmal die Zugangsdaten, hab ich seit Jahren nicht mehr genutzt. Man kann sich schon fragen, wie ein Pionier der Videotelefonie dann so steil nach unten ging, als alle Welt Videotelefonie wollte: “Skype was Microsoft’s biggest-ever acquisition in 2011, a deal brokered by former CEO Steve Ballmer when the company was trying to compete with the rise of the iPhone. But after spending $8.5 billion on Skype, Microsoft dropped the ball again and again over the past 14 years, to the point where Skype was so irrelevant during a global pandemic that everyone used Zoom instead.”
The Media Treated Trump's Tesla Stunt Like a Car Show, Not Corruption: Falls es ein bisschen in Koalitionsbildung und weltpolitischen Verwirrungen untergegangen ist: Donald Trump ist jetzt auch Autohändler. Weil es bei seinem Angestellten Elon und dessen E-Auto-Bude Tesla gerade nicht so läuft, hat der Boss mal ein paar Fahrzeuge auf den Rasen des Weißen Hauses fahren lassen, um deren Qualität zu preisen. Und anzukündigen, sich auch eines zu kaufen. Hat mich sofort an Rainald Grebes “Im Adlon is' Brad Pitt und Washington Denzel. Im Autohaus in Schwedt is' heut' Achim Mentzel” erinnert. So gut, so schräg. Der Autor analysiert die merkwürdige Reaktion der Medien auf diesen doch recht denkwürdigen PR-Stunt. “The whole spectacle was exactly what you'd expect when a billionaire president with a long history of self-promotion teams up with his billionaire buddy who helped bankroll his campaign. It was cronyism in its purest form, taking place on the grounds of what's supposed to be the people's house. But what really caught my attention was how the media largely played this off as just another wacky day in Trump-world rather than the ethical nightmare it actually represents.”
Cloudflare's bot bouncer blocks weirdo browsers: Die Geschichte könnte man als Anekdote abtun - “Users of some of the less well-known web browsers are getting blocked from accessing multiple sites by Cloudflare's flaky browser-detection routines.” -, denn mal ehrlich: Wer benutzt schon andere Browser außer Chrome, Edge, Firefox und Safari? Hmmmm? Eben. Ich finde den Text aber lesenswert weil er zeugt, welche Macht Unternehmen in der digitalen Welt haben, die man jetzt nicht immer so auf dem Schirm hat. Was ist, wenn Cloudflare Deine Software nicht mag? Oder Dein Herkunftsland? Dann kann es recht schnell sehr leer werden in Deinem Internet.
Facebook löscht Live-Videos: Journalisten besorgt: Aus der Kategorie “Warum die Behauptung, das Internet vergisst nicht, ziemlicher Blödsinn ist” heute: Facebook löscht gespeicherte Live-Videos. “Nun mögen viele Live-Videos auf Facebook von bescheidenem Interesse für die Nachwelt sein, doch sind darunter auch wichtige Dokumente der Zeitgeschichte. Radio Free Asia berichtet über einen Aufruf des Journalistenverbandes Hongkongs (HKJA), der alle Medienmacher der Stadt bittet, ihre Live-Videos zu sichern. Insbesondere geht es den Journalisten um die Dokumentation der Bürgerproteste der Jahre 2019 und 2020.” Auch wer keine solchen Zeitzeugnisse sein Eigen nennt, vielleicht doch ein Reminder: Soziale Netzwerke sind keine Backup-Lösung.
I used the viral Death Clock AI app to predict when I'll die — now I want to prove it wrong: Eigentlich eine logische Weiterentwicklung des großen Vertrauens in KI: Eine App, die einem das eigene Todesdatum vorhersagt: “While it won’t tell you the exact time of death, the app does predict the day and year of your demise — based on a series of questions and relying on scientific studies about health and fitness. I decided to test it out and was surprised by the results — mostly because it’s now motivating me to prove the app wrong.” Denn das ist ja die Idee: Man soll sein Leben ändern, um seine Lebenserwartung zu erhöhen.
Undisruptable Technology im Bild

Und zuletzt...
Erinnert sich noch jemand an “Wordle”, dieses kleine Wort-Rate-Spiel mit den fünf Buchstaben, dass es in der Corona-Pandemie zu ziemlicher Berühmtheit gebracht hat? Ich gestehe, ich spiele das immer noch gerne ab und zu. Aber inzwischen bin ich auch ein sehr großer Fan von “Matle”. Man muss jeden Tag eine Schach-Matt-Position herausfinden. Und dann gibt es ja noch “Pastpuzzle”, dabei gilt es, ein historisches Datum mit Hilfe von mehreren Hinweisen zu ermitteln. Und gestern habe ich zum ersten Mal “Timeportal” entdeckt. Dabei geht es - deutlich aufwändiger - darum, aus Bildern den Ort und das Jahr eines historischen Ereignissen zu erkennen Ich meine, besser als 80 Prozent der anderen Spielerinnen und Spieler, da mache ich doch weiter…