Build fast. Feel nothing? [Undisruptable Technology - Ausgabe #287]
#287, 11. Juli 2025
Guten Morgen,
ich habe diese Woche von einem Programmierer die Klage gelesen, dass sei KI der Job keinen rechten Spaß mehr macht. Dabei geht es weniger um die Frage, ob die KI einem den Job wegnimmt (weil die Unternehmen Stellen streichen und Geld sparen) oder ob durch KI mehr Jobs entstehen, was der Github-Chef klugen Unternehmen rät. Nein, es geht darum, dass der KI Anweisungen geben einfach weniger Spaß macht (am Rande: hier noch ein interessanter Text zur Frage, ob “Agenten” bei KI ein guter Begriff ist): “It feels like I’m just going through the pain of explaining to the LLM what I want, then sitting and waiting for it to finish. If it fails, I just switch to another model—and usually, one of them gets the job done.”
Auf eine gewisse Weise kann ich das nachvollziehen. Ich habe nie professionell Software entwickelt, aber seit meinem ersten C64 Programme geschrieben (und schon davor, in Karohefte mit Kuli). Das ist jetzt schon ein paar Jahrzehnte her. Einige davon waren auch wirklich nützlich, ein Maschinensprache-Simulator in Apple Basic für den Informatik-Unterricht, eine Wahlergebnis-Anzeige-Software à la Infratest-Dimap für die Kommunalwahl in Trier, ein Redaktions”system” für die Schülerzeitung oder eine Sprachmailbox für ZyXEL-Modems (die es sogar auf die Beilagen-CD einer Computerzeitschrift geschafftt hat, mit vielen, vielen anderen Programmen). Und viele kleine und größere Tools, die mir privates und berufliches Leben erleichtert haben.
Was ich sagen kann: Die KI-Tools verändern definitiv, wie wir programmieren. Dabei sind wir meiner Meinung nach immer noch weit davon entfernt, dass jemand ohne jede Programmierkenntnisse wirklich etwas dauerhaft Lauffähiges erschafft, wenn eine gewisse Komplexitätsgrenze überschritten ist. Die KI muss ab einem bestimmten Punkt immer an die Hand genommen werden und hat oft nicht die allerbesten Ideen, die man unbedingt einfangen sollte, bevor es zu spät ist - wenn man versteht, was da gerade passiert. Aber: Man kann mit KI-Hilfe unglaublich schnell von einer Idee und ein paar guten Ansätzen zu funktionsfähigen Prototypen kommen. Und jemand wie ich, der zwar schon lange und gerne programmiert, aber eben auch nicht alles kann (wie z.B. Web-Frontends), für den ist so eine KI ein extremer Produktivitätsbooster. In zwei Tagen von einer vagen Anregung zu einem lauffähigen Programm, modular, mit Backend und schöner Weboberfläche? Kein echtes Problem. Und das Ganze für einen 10er im Monat.
Allerdings ist das vielleicht auch die Krux (auch für alle Unternehmen die sagen, hey, machen wir mit KI statt mit Leuten). Wer sagt uns eigentlich, dass KI auch künftig kostenlos oder so spottbillig verfügbar ist? Vermutlich ist man gut beraten, sich in keine technologischen Abhängigkeiten zu begeben, ohne zugleich auf die neuen Möglichkeiten zu verzichten. Für Unternehmen sind das keine einfachen Fragen, für mich persönlich heißt das: Gerne mit der KI zusammen programmieren, aber ab und zu vielleicht einfach doch noch mal was ganz ohne künstliche Intelligenz zusammenbauen.
Bis nächste Woche,
Andreas Streim
Ten news that fit to send
Adding a feature because ChatGPT incorrectly thinks it exists: Das ist eigentlich meine Lieblings-Geschichte diese Woche. Soundslice bietet einen Dienst, der Notenblätter einscannt und in Musik verwandelt. Und jetzt haben sie festgestellt, dass immer mehr Leute da komische ASCII-Noten-Zeichnungen hochladen - weil ChatGPT behauptet hat, dass das geht. Und was macht die Firma? Sie baut das Feature einfach ein und bietet den Leuten, die die KI zu ihnen schickt, damit einen Mehrwert. “o my knowledge, this is the first case of a company developing a feature because ChatGPT is incorrectly telling people it exists.”
Stalking the Statistically Improbable Restaurant… With Data!: Kann man sich eigentlich für einen solchen Text nicht begeistern, der zeigt, was man alles Wunderbares mit Daten anstellen kann? “I had a hypothesis that concentrations of fast food were correlated to poverty. As the data is coming in, I think it may correlate more closely to rapidly growing suburbs – West Jordan, UT (Salt Lake City), North Las Vegas, NV (Las Vegas), Ontario, Rialto and Menafee, CA (Inland Empire/Riverside/San Bernardino) all rank high on that score. Fast food also may inversely correlate to population. Of the twenty largest cities in the US, only four have fast food prevalence over the mean (20.15%): Phoenix (20.85%); Jacksonville (21.72%); Fort Worth (21.53%); Oklahoma City (21.77%).”
Russia allegedly field-testing deadly next-gen AI drone powered by Nvidia Jetson Orin: Digitale Technologien sind für Kriegsführung (und Verteidigung) immer wichtiger. Manches davon liest sich aber wirklich wie aus einem Science-Fiction-Film, aber der dystopischen Sorte: “Ukrainian Major General Vladyslav (Владислав Клочков) Klochkov says Russia is field-testing a deadly new drone that can use AI and thermal vision to think on its own, identifying targets without coordinates and bypassing most air defense systems. According to the senior military figure, inside you will find the Nvidia Jetson Orin, which has enabled the MS001 to become “an autonomous combat platform that sees, analyzes, decides, and strikes without external commands.””
Starlink-powered drone narco-sub intercepted by Colombian Navy — boat was converted into a drone for uncrewed smuggling: Und wo wir gerade bei autonomen Flug- bzw. Fahrzeugen sind, nicht nur das Militär setzt darauf. Wobei in diesem Fall ist es nicht autonom, sondern ferngesteuert, aber ich würde mal sagen, die Weiterentwicklung ist dann eher eine Frage der Zeit. “The Colombian Navy announced earlier this week that it had seized a makeshift semi-submersible off the Caribbean coast. Drug cartels have already been using this technique for several years now to smuggle drugs into the United States and other countries, but this is the first time that a vessel has been discovered that was plying the illicit route with no one inside. According to France 24, authorities stated that it was equipped with a Starlink User Terminal, enabling the boat to remain connected to the internet even in high seas and be controlled remotely.”
Robots Are About to Outnumber Humans At Amazon Warehouses: Obwohl Amazon ja schon lange eine echte Tech-Company ist, haben die Warenlager bisher doch vor allem auf Menschen gesetzt. Das könnte sich bald ändern: “Amazon will soon have as many robots as it does humans plugging away at its warehouses, the Wall Street Journal reports. At this rate, it won't be long until the flesh and blood employees are downright outnumbered.” Und zeigt vor allem auch, welche Fortschritte in der Robotic gemacht wurden und werden.
ChatGPT is testing a mysterious new feature called ‘study together’: Wenn man bedenkt, wie viele Schülerinnen und Schüler KI nutzen, ist das ein folgerichtiges Feature: Ein Modus für die KI, bei der sie uns nicht einfach die Antwort gibt, sondern uns mit Hilfe von Fragen selbst zum Ergebnis führt. “The feature is interesting because ChatGPT has quickly become a mainstay in education in both helpful and not-so-helpful ways. Teachers are using it for things like lesson plans; students can use it like a tutor — or they can use it to write their papers for them.” Ich hatte, als ChatGPT die eigenen GPTs ermöglicht hat, auch mal so einen gebaut, der die Fragen der Kinder nicht einfach löst, sondern sie dorthin führen soll. Hat sich aber nur leidlich durchgesetzt (fehlende Akzeptanz, sag ich mal).
Hertz AI Scanner Charges $350 for Tiny ‘Dings’ on Rental and This Is Going Off the Rails: Der Autovermieter Hertz hatte eine eigentlich gute Idee: Bei der Automietung per KI vorher und nachher Schäden aufnehmen und den Kundinnen und Kunden gegebenefalls automatisch in Rechnung stellen. Scheint nur, als ob das bei manchen nicht gut ankommt - und auch die Presse ist skeptisch. “Transparency and speed are great, but the key issue here is about the kinds of flaws the machine is catching, which Hertz turns around and posts triple-digit charges for. A minor bump like the one on the fender of Foley’s car could very well slip by a human inspector, and it certainly wouldn’t register to a customer. It’s not going to aggravate the next renter who’s getting into that vehicle for the first time. And it’s also not the sort of damage that the average car owner would drop everything and hire a paintless dent removal tech to fix.”
Tesla: Nach zwei Wochen Robotaxi fällt die Bilanz ernüchternd aus: Also ganz ehrlich, das liest sich jetzt nicht so, als ob wir schon in Kürze in Berlin, Paris oder Wien mit dem Robotaxi von Tesla durch die Gegend fahren können. Am besten gefällt mir ja dieser “Fail”-Part: “YouTube-Influencerin und erklärte Tesla-Anhängerin Ellie Sheriff erlebte eine eigenartige Situation: Während der Fahrt mit einem Robotaxi erhielt sie plötzlich einen überraschenden Anruf von Tesla. Darin wurde sie aufgefordert, das Fahrzeug wegen aufkommenden Regenwetters umgehend zu verlassen, wie Futurism berichtet. Mitten in einem windigen Feld gestrandet, musste sie auf ein neues Robotaxi warten. "Man sollte den Service nicht beenden müssen, nur weil es regnet", kritisierte Sheriff.”
Prime Day is a scam: Früher, als das größte Schnäppchen-Ereignis der Sommer- und Winter-Schluss-Verkauf waren, hat meine Oma immer gesagt, erst wird eine große Summe aufs Preisschild geschrieben, damit die dann rot durchgestrichen werden kann und billig aussieht, obwohl sie immer noch teurer ist als früher. Sagen wir mal so, daran hat sich im Internet-Zeitalter wohl wenig geändert. “The Shark Pet Cordless Vacuum Cleaner, for example, is a featured "Early Prime Day" product. Amazon says the sale price for this vacuum, $149, represents a 50% discount off of the $299.99 "list price." The online tool Camel Camel Camel, which tracks prices of Amazon products over time, reveals that, since monitoring began in 2019, the vacuum was not listed at $299.99 until May 21, 2025. Its average price is about $200. Over the last year, the same vacuum was available for $149 in November, December, March, April and May.”
Blind to Disruption – The CEOs Who Missed the Future: Immer wieder schön zu Disruptions-Geschichten zu lesen, hier die nicht ganz neue “vom Pferdewagen zum Auto”-Story. Sie hat mir auch deshalb gefallen, weil mir eine Freundin gerade diesen Ausschnitt schickte, wo Bill Gates sich für seine Begeisterung fürs Internet auslachen lassen musste.
Undisruptable Technology im Bild
Dieser Werbeclip geht gerade im Internet rum. Angeblich ist er komplett mit Veo3 erstellt, also KI-gerneriert. Und hey, für einen Wasser-in-Dosen-Produkt-Spot ist er auch wirklich unterhaltsam, auch wenn es sehr an eine Dexter-Episode erinnert.
Und zuletzt...
Das ist jetzt wahrscheinlich nicht neu, aber trotzdem eine wirklich schöne Geschichte: Ein bestimmtes Lied kann bestimmte Festplatten zerstören, oder wie die offzielle Cybersicherheits-Warnung von 2022 es beschreibt: “Certain 5400 RPM hard drives, for laptops and other PCs in approximately 2005 and later, allow physically proximate attackers to cause a denial of service (device malfunction and system crash) via a resonant-frequency attack with the audio signal from the Rhythm Nation music video. A reported product is Seagate STDT4000100 763649053447.” Um welche Musik es geht, kann man hier hören. Und hier gibt es ein bisschen Erklärung dazu - auch, warum das nicht nur anekdotisch und lustig ist. Diese Sicherheitslücke sollte einen daran erinnern, dass es “Non-Traditional Attack Vectors” gebe, man “Side-Channel Considerations” treffen sollte und es “Interdisciplinary Awareness” brauche.