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Juli 22, 2025

43 // esel

Ich finde es frustrierend, wie alle möglichen digitalen Werkzeuge diesen sinnlosen KI-Quatsch integrieren. Es ist wie ein Wetttauchen in der Jauchegrube, alle wollen zuerst am Boden ankommen. Viel erschreckender als der kommerzielle Reflex aber ist die Selbstverständlichkeit mit der Menschen LLMs wie Suchmaschinen oder gar Ratgeber benutzen.

Es scheint kein sonderlich gut entwickeltes Bewusstsein für die Funktionsweise zu geben und so wird dieses “ChatGPT hat gesagt” immer alltäglicher. Und dem Journalismus, auch dem kritisch eingestellten, gelingt es nicht so recht, das nachvollziehbar einzuordnen. Also hab ich die taz-Kolumne mal genutzt, mich aufzuregen.


Wandbild mit einem menschen, dessen Kopf von Wolken verdeckt ist. Dazu sind drei flatternde Vögel abgebildet. Vor der Wand steht ein Automat, auf dem "Wroclaw Pomaga" gedruckt ist.
Die Symbolbilder müssen auch mal verbraucht werden.

Autokorrektor 24 - Keine Identifikationsfläche

Lösungsvorschläge, ja? OK. Zuallererst würde ich es verbieten, „ich“ zu sagen. Den Maschinen. Denn spätestens wenn so ein Programm „Hallo“ und vor allem „ich“ sagt, fangen alle umstandslos an, das Ding zu vermenschlichen. Was erwartet man aber auch von einer Welt, in der selbst noch PKWs, Kaffeemaschinen und andere Konsumgüter Kosenamen bekommen. Die Idee, den ganzen technischen Helferlein ein Gesicht zu geben, war vielleicht ganz gut gemeint. Nimmt den Leuten die Angst, so ein lächelnder Roboter. Ja, ok, aber eben auch die schützende Distanz.

Es sind Maschinen. Die sollen uns bei der Automatisierung unterstützen, Hilfestellung sein bei der Erledigung sich wiederholender, gleichbleibender und ermüdender Tätigkeiten. Das ist gut und praktisch, aber die permanente Antropomorphisierung dieser Werkzeuge ist ein schwerer Fehler. Selbst in der Kritik entkommen wir dem oft nicht.

Ach, eine KI hat Hitler gelobt? Nein, hat sie nicht! Schaltkreise loben niemanden, können das überhaupt nicht, denn sie haben kein Konzept von Gut und Böse, Lob und Tadel. Sie haben vor allem kein Bewusstsein eines Selbst. Ihr „ich“ ist die Ausgabe einer Kombination elektrische Impulse, ihre „Meinung“ genauso. Diese Apparaturen lügen oder halluzinieren nicht, sie geben einfach unnützen Datenmüll aus.

Ich würde so eine Mumpitz-Maschine nicht mal zu möglichen Urlaubszielen befragen, nicht zu Hämorrhoidenmitteln und schon gar nicht zu Depressionen. Obwohl, wenn ich mir am Strand vorm AKW Fukushima liegend Essigreiniger zwischen die Arschbacken schmierte, würde sich der akute Fokus meiner Sorgen wohl wirklich neu justieren.

Ach, jetzt mal ernsthaft, allein diese ganzen menschenfeindlichen Nutzerinterfaces sind doch sowieso kaum bedienbar und zeitigen mit all dem Werbedreck dazwischen keine brauchbaren Ergebnisse. Man sollte sie gleich richtig hässlich machen. Sprachausgaben, die ohnehin nur Unsinn enthalten, zu totalem Buchstabensalat zertrümmern! Deine Kundenbeschwerde hier nimmt sowieso kein Mensch zur Kenntnis. Auf jeden Fall aber das „ich“ verbieten. Keine Identifikationsfläche vorhalten. Die Blödsinnigkeit so offensichtlich machen, dass auch einfältigste Naturen sie erkennen können.

Als künstlerisches Experiment eine KI die Nachbildung eines Textes, eine Kolumne zum Beispiel berechnen lassen? Was für ein schlechter Witz. Stattdessen einfach mal eine Seite unlesbar verschmieren, gerne von einem roboter-geführten Pinsel. Da hast du deine Denkanregung, deine maschinelle Zusammenfassung der Suchergebnisse, deinen automatischen Reiseplaner, deine KI-Psychotherapeutin.

Übrigens, wenn du 57 mit 129 auf dem Taschenrechner malnimmst und den dann umdrehst, hat er nicht in herabwürdigender Absicht „ESEL“ zu dir gesagt. Wenn du aber glaubst, dass ein paar überdimensionierte, noch dazu mit wiederbelebten Atomkraftwerken betriebene Schaltkreise kurz davor sind, Lösungen für alle Menschheitsprobleme zu finden, dann vielleicht doch.


Weiterlesen im Blog.


Mit großem Interesse gelesen: Luise Strothmann schreibt in der taz über den Besuch eines Provinz-CSDs. Mir scheint das ein ganz guter Schnappschuss der realen Lage zu sein. Ist nicht unbedingt stimmungsaufhellend.

Außerdem: Wer hätte das gedacht, die Bezahlkarte ist nicht nur dafür gedacht, Asylbewerber*innen zu drangsalieren, nein, in Hamburg wird bereits darüber sinniert, ob man nicht auch Arbeitslose damit herabwürdigen könnte. Es ist doch schon immer das selbe Programm: divide et impera.

In den ganzen Komplex digital amplifizierter autoritärer Herrschaft passt auch die Nachricht, dass neben Steuerdaten inzwischen auch Mediacaid-Unterlagen mit der US-Abschiebungsbehörde synchronisiert werden.

Die Zentralisierung von Datenspeichern, gleich welcher Art, wird auch in Deutschland künftig noch zu erheblichen Problemen führen. Man hört ja immer wieder von Datenschutz-Hemmnissen gegenüber Innovation oder Sicherheit und dergleichen Geschwafel… Das verfängt auch nur deshalb, weil so viele erst zu spät erkennen werden, was es ganz konkret für sie bedeutet, wenn die eigenen Daten nicht robust vor staatlichem Zugriff geschützt sind.

In der Berichterstattung zur bayerischen Verwendung von Palantir, das als Softwaresystem die verschiedensten, offensichtlich ungeschützten, Datenquellen zusammenfasst, wird schließlich bekannt, dass damit gar nicht nur Terroristen gejagt werden. Ein Grüner, der das kritisiert, lässt sich dann trotzdem zitieren: "Es ist völlig klar, dass man in einer großen Gefahrenlage auf alles zurückgreift, was man hat. Natürlich auch Palantir". Natürlich. Denn ein demokratisch verfasstes Gemeinwesen behält sich den organisierten Bruch von Bürger- und Menschenrechten für vage definierte “große Gefahrenlagen” vor. Kann ja nix passieren dabei.

Zu guter Letzt: Im Stern ein Beitrag, der sich mit der Frage beschäftigt, warum Katzen Beute bisweilen lebend nach Hause bringen (Achtung beim klicken auf den Link, Autoplay oder wenigstens Ton aus, es drängelt sich sonst ein Video mit rein). Anscheinend gibt es Anlass zur Vermutung, dass das einen pädagogischen Hintergrund hat.



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