September-Ausgabe 2024
Herzlich Willkommen zur September-Ausgabe des Vreundschaftsbriefs!
CRUNCH
Wir finanzieren Anarchie Déco 1930 - die Fortführung von “Anarchie Déco” mittels Crowdfunding! Am 3.10. startet das Projekt auf Kickstarter und ihr könnt euch jetzt schon voranmelden, um eine Benachrichtigung zu erhalten, wenn es losgeht! Geplant ist ein Cover von Sameena Jehanzeb, Lektorat von Lena und Korrektorat von Heike Knopp-Sullivan - und natürlich der bereits vollständige Inhalt von uns Vögten.
Zur neu erschienenen Novelle Im Schatten des Leviathans (Schattenspiele 2) gibt es eine Instagram-Lesung von Judith und Christian im Gespräch mit Ingrid vom ohneohren-Verlag.
Im Genderswapped Podcast fragen wir uns in diesem Monat mit Autorin Anna Zabini: Ist die Progressive Phantastik gescheitert? Ein Gespräch über den Buchmarkt, die Progressive Phantastik und den ganzen Rest.
Im Audio-Extra empfehlen wir - weiterhin mit Gästin Anna - Sachbücher mit utopischem Potenzial.
Queer*Welten 13 geht in wenigen Tagen ins Layout, damit es pünktlich zur Buchmesse und zum BuCon erscheinen kann. Das Heft ist schon vorbestellbar. Außerdem gibt es für alle, die das Magazin abonniert haben oder noch bis zum Erscheinen von Heft 13 abonnieren, einen exklusiven Queer*Welten-Taschenkalender für 2025 gratis dazu!
Lena wird im Herbst wieder Schreibworkshops anbieten - die drei schon bekannten auf jeden Fall und eventuell auch noch einen weiteren. Die Workshops finden online über Zoom statt. Zu den Inhalten findet ihr alle Infos auf Lenas Website. Ihr könnt euch, wenn ihr Interesse habt, schon bei Lena melden - dann könnt ihr auch bei der Terminsuche mitbestimmen. Ansonsten gibts auch regelmäßig Updates zu den Workshops auf Lenas Social Media (Instagram | BlueSky | Mastodon).
Termine
Am 01.10. ist Einsendeschluss für den Inklings-Preis! Diesmal wird er in der Kreativ-Klasse für Kurzgeschichten und Mikrofiktion verliehen. Die Vögte sind als Vorjahres-Preisträger*innen in der Jury, zusammen mit Anna Zabini, Jol Rosenberg und Francis Behrend, und IHR könnt eure von 2022 - 2024 veröffentlichten Storys einreichen!
Im September haben wir Vögte leider - wie in den vergangenen Monaten - keine Termine. Durch fehlende Förderungen gibt es von Veranstalter*innenseite so gut wie kein Interesse mehr an Lesungen. Wenn ihr Interesse habt, mit uns zusammen etwas zu veranstalten, meldet euch gern bei uns Vögten! (Wir lesen auch gern wieder in Dialoglesungen mit James Sullivan, wie 2022/23.)
FLUFF
Warum erscheint “Anarchie Déco 1930” eigentlich nicht bei Fischer TOR?
(von Judith)
2021 war für die Progressive Phantastik ein Jahr voller wilder Hoffnungen. Im Frühjahr erschien “Elektro Krause” als Auftakt, dann folgten Nora Bendzkos “Die Götter müssen sterben”, Eleas “Mutterschoß”, Eleanors “Knochenblumen welken nicht”, der erste Band von James Sullivans “Die Chroniken von Beskadur” und auch unser “Anarchie Déco”. Während sich die alteingesessenen deutschen Fantasyautoren als “Meister der Phantastik” bezeichneten, wollten wir nichts Geringeres als eine Revolution des Genres.
Wie das seitdem so läuft, könnt ihr in der aktuellen Podcast-Folge hören, den Link findet ihr weiter oben.
“Anarchie Déco”, wenn auch knapp hinter “Schildmaid” unser erfolgreichstes Buch, ist leider “hinter den Erwartungen” des Verlags zurückgeblieben. Ich wage zu behaupten, dass wir keinen Groll gegen die Leute bei TOR und sie auch keinen gegen uns hegen. Sie wagen immer wieder Experimente und betreiben mit TOR Online eine der wichtigsten Phantastikplattformen im deutschsprachigen Raum.
Seither erwischt mich eigentlich keine Absage mehr kalt - gerade wurde ein über ein Jahr lang geplantes Biopunk-Hörspielkonzept einfach durch den äußeren Faktor des Personalwechsels im Großkonzern in die Mülltonne geworfen, und ich hatte dafür kaum mehr als einen Seufzer übrig. Aber 2021 haben wir eben noch, wenn schon nicht auf kommerziellen Erfolg, so aber auf die Möglichkeit einer soliden Zusammenarbeit gehofft. “Anarchie Déco” hatten wir uns als mindestens dreiteilige Urban-Fantasy-Krimi-Reihe ausgemalt, mit der wir von den Zwanzigern aus auf die Reise gehen würden, um einen alternativen Geschichtsverlauf voller Kunst, Wissenschaft, Queerness, Anarchismus und Magie zu erkunden. Ein bisschen hatten wir gehofft, Nike und Sandor könnten unser Harry Dresden, Peter Grant oder Gereon Rath sein, und wenn schon nicht für zehn Teile, dann vielleicht wenigstens für drei - 1928, 1930 und 1933, so der Plan. Somit hatte der Verlag auch bereits das Exposé für den zweiten Band, als der erste gerade frisch erschienen war - und bat uns abzuwarten, wie sich Teil 1 “entwickelt”. Anfang 2022 kam dann die Absage. (Ich wünschte, wir wären damit allein, aber auch die Fortsetzungen von “Die Götter müssen sterben” und Eleanor Bardilacs “Knochenblumen welken nicht” konnten nicht beim Großverlag erscheinen, sondern werden vom Verlag ohneohren weitergeführt. Ein Schelm, wer Strukturelles dabei denkt.)
Wir haben ebenfalls bei anderen Verlagen angefragt, leider ohne Erfolg. Aber schreiben wollten wir einen zweiten Band unbedingt und darin die Geschichte so weit zu Ende erzählen, dass sie zwar nicht auserzählt ist (welcher alternative Geschichtsverlauf wäre 1930 auserzählt?), aber uns gewissermaßen ausreden und unsere Ideen zu Ende bringen lässt.
Das Schreiben des Romans haben wir uns mit dem Stipendienprogramm 2022 des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen ermöglicht - jetzt fehlen “nur” noch Cover, Umschlaggestaltung, Korrektorat und Lektorat und der Druck der Printexemplare. Es sind keine Unsummen, aber es war unmöglich, das Buch mit der Stipendiumssumme komplett zu finanzieren.
Die lange Arbeit an “Anarchie Déco 1930” - vom Exposé bis zum fertigen Buch drei Jahre, davon zweieinhalb Jahre Schreibarbeit, lange, gründliche Recherche und dazwischen der Entschluss, selbst politisch aktiv zu werden. Äußere Einflüsse wie rechte Gewalttaten, die Salonfähigkeit rechter Parolen, die Correctiv-Recherche zu rechten Deportationsplänen, die Enttäuschung, der Schrecken darüber, dass wir uns zum zweiten Mal in den Zwanzigern zu befinden scheinen, dass wir Selbstbestimmung, Freiheit und Vielfalt für zu selbstverständlich gehalten haben und nun kalt davon erwischt werden, dass wir all das verteidigen müssen vor faschistischen Kräften - all das hat seine Spuren in “Anarchie Déco 1930” hinterlassen, aber auf eine Weise, die mir selbst Mut und Trotz und Widerstandsfähigkeit verleihen - und ich hoffe, dass sich davon auch etwas auf die Leser*innen überträgt.
Die es hoffentlich bald gibt, wenn ihr uns helft, dieses Buch zu realisieren.
Vavoriten
Judith empfiehlt:
Im Mai war ich auf der Eröffnungsveranstaltung der “Resonanzen”, wo Bernardine Evaristo, von der ich “Girl, Woman, Other” sehr mochte, die Keynote hielt. Am Bücherstand sah ich dann, dass sie einen Roman übers römische Reich geschrieben hat! Den musste ich natürlich lesen als Person, die häufig ans römische Reich denkt. Zuleika, Schwarze Londonerin im 3. Jahrhundert nach Christus, wird lieblos verheiratet und träumt doch von Größerem. Dichterin wäre sie gern oder mindestens Geliebte des Kaisers, doch das setzt eine Kette von schicksalhaften Ereignissen in Gang, die nur in einer Tragödie münden können. „Zuleika“ ist nicht, was man annimmt: Der Roman ist in Versen geschrieben, greift auf moderne Sprache zurück, wartet mit Figuren auf, die überzeichnet, komisch und trotzdem irgendwie echt sind und präsentiert mit ihnen die ganze Bandbreite des römischen Reichs – von Sklavinnen und trans Sexworkerinnen bis hin zu nordafrikanischen Imperatoren.
Die Medusa aus James A. Sullivans neustem Beitrag zur Progressiven Phantastik, Schlangen und Stein, mag Leser*innen bekannt vorkommen: In „Urban Fantasy – Going Intersectional“, der Kurzgeschichtenanthologie von Patricia Eckermann und Aşkın-Hayat Doğan wurden wir bereits Zeug*innen davon, wie eine Inkarnation der Medusa in Irland von den feindlichen Söhnen des Perseus aufgestört und von einer verbündeten Gargoyle in Sicherheit gebracht wurde. „Schlangen und Stein“ knüpft genau dort an (eine Kenntnis der Kurzgeschichte ist aber nicht vonnöten) und schickt die nach Medusas Tod versprengten Splitter ihrer Existenz auf eine Reise, die ebenso durch unsere Gegenwart führt wie auch durch die mythische Vergangenheit und Welten jenseits der unseren. Immer wieder geht es dabei um das Finden und Verlieren von Heimat und Verbündeten, um das Miteinander von zersplitterten Perspektiven, um Gemeinschaft und Zuflucht und darum, niemals aufzugeben, weil eine bessere Zukunft möglich ist.
Die Podcast-Doku Springerstiefel ist zurück. In der ersten Staffel gingen ein weißer und ein Schwarzer Ostdeutscher auf Spurensuche in ihrer alten Heimat: Hendrik Bolz und Don Pablo Mulemba sprachen mit der eigenen Familie, mit ehemaligen Faschos und Punks über den Rechtsextremismus der Nachwendezeit und zeigten, wo sich die Brüche bis in die Gegenwart ziehen. Die zweite Staffel, kurz vor den Wahlen in Thüringen und Sachsen erschienen, begibt sich dann ganz in die Gegenwart – „Die 90er sind zurück“, hören die beiden Journalisten immer wieder und beginnen daran zu zweifeln, ob „wir“ wirklich „mehr“ sind. Doch sie finden auch hoffnungsvollen Widerstand und Leute, die ihre Familien und ihre (neue) Heimat nicht kampflos aufgeben.
Christian empfiehlt:
Wie man einen Prinzen tötet von T. Kingfisher. Wenn Romane Fische wären, würden dieser Roman und “Schildmaid” in einem Aquarium schwimmen. Es geht um die Rolle einer Prinzessin in einer patriarchalen Welt und um den Mut einer Person, die für Heirat oder Kloster bestimmt war und mit einem entsprechenden Skillset zurecht kommen muss. Außerdem bedient sich die Handlung oft an Märcheninhalten - die Interpretation der aus Dornröschen bekannte Feenpatinnen hat mir besonders gut gefallen.
Achja: Piranhas. Die Fische sind Piranhas.
Lena empfiehlt:
Ich habe - passend zu Judiths Worten weiter oben zur politischen Situation und zu unserer diesmonatigen Initiative-Empfehlung - das Buch Machtübernahme von Arne Semsrott gelesen. Semsrott, der durch seine Arbeit für das Projekt Frag den Staat gute Einblicke in Politik, Justiz und öffentliche Verwaltung hat, stellt darin vor, wie ein politisches Szenario aussehen könnte, in dem die AfD (zunächst) ein Bundesland regiert - und was man dagegen tun kann, aktuell und wenn es passieren sollte. Er geht darauf ein, was z. B. Beamt*innen, Unternehmen, Angestellte oder Richter*innen tun könnten, um eine AfD-Regierung zu stören oder auszubremsen, aber auch darauf, wie schon aktuell diejenigen Projekte, die gegen rechtsextreme und faschistische Strukturen kämpfen, ums Überleben kämpfen, vor allem in Ostdeutschland. Es geht außerdem auch um die Rolle der Medien und darum, dass uns auch nicht geholfen ist, wenn sich beispielsweise die Union so lange weiter nach rechts radikalisiert, dass sie von der AfD dann nahezu nicht mehr zu unterscheiden ist. Jedes Kapitel endet mit konkreten Tipps und Forderungen, und am Ende gibt es noch einen abschließenden Teil dazu, wie wir generell in die Zukunft schauen und dass wir neben einem Reagieren auf die AfD auch dringend eigene Forderungen brauchen, für die wir kämpfen. Ich konnte aus dem Buch einiges mitnehmen, auch was konkrete politische Agenden betrifft, die in den nächsten Monaten und Jahren wichtig werden. Das Buch liest sich außerdem schnell und flüssig weg und ist meiner Meinung nach sehr zugänglich und zwischendurch auch immer wieder lustig, wenn Semsrott z. B. vorschlägt, zum Finden von Gleichgesinnten am Arbeitsplatz könnte man das Buch ja gut sichtbar mit sich herumtragen. Ein Euro von jedem verkauften Exemplar geht übrigens an das weiter unten auch erwähnte Polylux-Netzwerk.
INITIATIVE BITTE!
Am 22.09. ist Landtagswahl in Brandenburg, und nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen sind sicher die meisten von uns versucht, den Kopf in den Sand zu stecken und als gegeben zu akzeptieren, dass rechtsextreme Kräfte in diesen drei Landtagswahlen Mehrheiten oder Beinahe-Mehrheiten erzielen. Wir haben daher verschiedene Möglichkeiten gesammelt, wie ihr demokratische Kräfte vor Ort unterstützen könnt, auch wenn ihr nicht in Brandenburg wohnt:
NGOs:
Beim Aktionsbündnis Brandenburg zeigt Haltung könnt ihr euch über Veranstaltungen, Social-Media-Aktionen und mehr informieren: https://www.brandenburg-zeigt-haltung.de/
Ihr könnt die Kooperation für Flüchtlinge in Brandenburg unterstützen: https://www.kooperation-für-flüchtlinge-in-brandenburg.de/ ,
das Netzwerk für ukrainische Geflüchtete Brandenburg Hilft!: https://www.brandenburg-hilft.de/
oder KommMit e.V., das psychosoziale Zentrum für geflüchtete Menschen im Land Brandenburg: https://www.kommmit.eu/de
Für Unterstützung für demokratische und solidarische Projekte in ganz Ostdeutschland könnt ihr das Netzwerk Polylux finanziell unterstützen, entweder mit Spenden oder mit einer Fördermitgliedschaft.
Parteien:
Bei den Grünen in Brandenburg könnt ihr spenden, Wahlkampfurlaub machen oder euch als Netzfeuerwehr gegen Fake News engagieren: https://gruene-brandenburg.de/unterstuetzen
Bei der Brandenburger Linken könnt ihr euch über ein Kontaktformular melden, um im Wahlkampf zu helfen: https://dielinke-brandenburg.de/wahlen/wahlkampf/
Im Guardian gibts außerdem einen interessanter Außenblick auf die Wahlen und die ost- und westdeutschen Unterschiede, nicht erst im Hinblick auf DDR und Nachwendezeit.
Danke fürs Abonnieren und Lesen!
Judith, Christian und Lena