November-Ausgabe 2022
Herzlich Willkommen zur November-Ausgabe des Vreundschaftsbriefs!
CRUNCH
Lena hat für Tor-Online einen Text zur Queer Science-Fiction geschrieben, in dem es vor allem darum geht, wie man das denn nun konkret umsetzt und welche Beispiele es dafür gibt.
Judith war zu Gast bei rbb Kultur - das Gespräch und durfte sich fast eine ganze Stunde mit Kirsten Dietrich über magische Brötchen, Hopepunk und Progressive Phantastik unterhalten sowie drei Songs aussuchen.
Alles rund um das Erscheinen von Laylayland findet ihr in Judiths angepinntem Twitter-Thread. Hier noch mal drei hervorgehobene Dinge, falls ihr euch für “Laylayland”, das neue Buch der Vögte, interessiert:
Das Buch plus Hopepunk-Button, nur den Hopepunk-Button und einige andere Bücher von uns gibts jetzt frisch in unserem Etsy-Store Revogtlution!
Den Instagram-Talk mit Sandra Thoms vom Plan9-Verlag findet ihr hier.
Bald startet die Lovelybooks-Leserunde - die Freiexemplare sind leider schon ausgelost, aber wenn ihr das Buch schon habt und es gern gemeinsam mit anderen lesen wollt, schaut doch mal vorbei!
Lena und Judith waren mit Heike zu Gast bei Literatunnat, um im Podcast über Queer*Welten zu sprechen! Im September gabs bei den Tübinger Tolkien Tagen ein zweistündiges Panel mit einer Lesung von den Vögten und James A. Sullivan und einem anschließenden Gespräch über Progressive Phantastik und Queer*Welten (aus der QW-Redaktion erzählten dabei Judith und Heike).
Der Genderswapped-Podcast feierte die 50. Jubiläumsfolge mit einer Live-Aufnahme, die ihr hier nachhören könnt! Im Audio-Extra auf Patreon erinnern wir uns an unsere nullte und erste Folge zurück.
Auf Patreon gibt es diesen Monat Judiths Beitrag zum Science Fiction Jahr 2022 zu lesen: “Die Menschheit soll sich im All verwurzeln”, ein Text zum Aufbruch zu den Sternen in Mary Robinette Kowals “Lady Astronaut”-Reihe und Octavia E. Butlers “Parables”.
Termine:
Die Lesungssaison ist zu Ende: Wir haben noch eine Schullesung vor uns, aber keine öffentlichen Lesungen mehr in diesem Jahr. Danke allen, die bei den - dank NRW-Lesungsförderung - vielen Lesungen dabei waren! 💚
FLUFF
Judiths Mastodon | Christians Mastodon | Lenas Mastodon
That’s right - ihr findet uns nun alle drei auf Mastodon! Ein paar Worte zum Wie und Warum.
Judith: Ich bin schon seit April auf Mastodon, aber nicht besonders begabt in Sachen Doppelposts. Das heißt, ich poste alles, was unsere Bücher und Veranstaltungen betrifft, auf Twitter, Mastodon und Instagram, alles andere poste ich so, wie es mir gerade in den Sinn kommt und man findet es mal hier und mal da. Da ich in den letzten Monaten ein paar ungute Twitter-Erfahrungen machen durfte, fällt es mir mittlerweile ohnehin schwer, anderes als “Werbung” auf Twitter zu posten - ich mag sehr viele Leute dort, aber ich denke im Moment bei ganz vielen Dingen: “Das geht niemanden was an.” Letztlich sind die Übernahme und peinlichen Self-own-Ankündigungen von Musk ein Grund, Mastodon stärker zu nutzen, aber ein weiterer ist, dass ich mich auf Twitter auch ohne Musk schon lange nicht mehr sicher gefühlt hab.
Auf Mastodon fühlt es sich noch etwas privater an, was durchaus ganz schön ist. Aber trotz aller Ähnlichkeiten ist Mastodon nicht “Twitter ohne Elon Musk” - es ist eine andere Plattform mit anderen Gepflogenheiten, anderem Slang, anderen Funktionen - es hat auch zumindest im Moment noch eine größere Gewichtung auf teils zum Mansplaining neigenden Tech-Boys (die muss man dann aushalten können, seufz…..). Aber es ist Twitter ähnlich genug, dass manches sich auch relativ reibungslos übertragen lässt und sicher ein ähnliches Community-Gefühl aufkommen kann. Und letztlich ist Mastodon für viele von uns, die auch aus beruflichen Gründen auf Social Media angewiesen sind, eine Art “contingency plan” - das hat Tina Skupin in ihrem Thread schön science-fictionesk zusammengefasst: https://twitter.com/TinaSkupin/status/1589560943674945536?s=20&t=hTCb9JD-v65Ymq0SjZgDvA
Lena: Ich mag ja Veränderungen ungefähr so gerne wie Montage, abgestandene Cola oder Sand in den Socken. Dementsprechend hatte ich eigentlich wirklich wenig Lust, mich mit einer neuen Plattform auseinanderzusetzen. Allerdings kann man Twitter gerade beim Erodieren zuschauen und, wie im von Judith oben verlinkten Thread gesagt, als kleine Kunstschaffende, deren einzige Werbeplattform Social Media ist, braucht es einen Notfallplan. Die Frage ist natürlich, ob und wie schnell man Twitter jetzt verlässt und ganz ehrlich: Ich habe keine Ahnung. Aktuell ist es immer noch so, dass Twitter eine gewisse Wirkmacht hat und gerade für marginalisierte Personen oft die einzige Möglichkeit ist, ihre Anliegen und Kämpfe einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das betrifft im Kleinen auch meine eigene Entwicklung, denn auf Twitter habe ich so viel gelernt, so viele neue Perspektiven erfahren, auch so viele Menschen kennengelernt, mit denen sich dann manchmal auch eine Zusammenarbeit ergab. Aber das Ganze hat auch eine weitaus größere und politische Ebene. Ohne Twitter wüssten wir z. B. vermutlich nichts bis wenig über die aktuelle Lage im Iran, nichts bis wenig über das Schicksal von Menschen mit Long Covid oder MECFS, nichts bis wenig über das Zusammenbrechen unseres Gesundheitssystems. Durch die vielen Journalist*innen, die Twitter als wichtige Quelle und Ort der Vernetzung betrachten, werden diese Themen immer wieder in andere Medien hineingetragen. Wie viele Diskussionen über Rassismus, Polizeigewalt oder Behindertenfeindlichkeit z. B. im Bahnverkehr wären niemals entstanden, wenn nicht Videos von Gewalt und Ausgrenzung weltweit verbreitet worden wären? Twitter ist natürlich kein schöner Ort oder für einen Großteil der Bevölkerung relevant, das will ich gar nicht sagen. Twitter ist für ein soziales Medium klein, schon immer problematisch, belohnt Empörung und Hass durch undurchsichtige Algorithmen und ist voller Hater und Trolle. Twitter ist ein Dumpsterfire, aber eins, das etwas bewegen kann - und das oft auch getan hat. Von daher finde ich, dass wir jetzt nicht alle unsere Accounts löschen und lapidar zu marginalisierten Menschen sagen können, dass sie sich jetzt halt anderswo vernetzen sollen. Zumal Mastodon jetzt auch nicht unbedingt ein Leuchtfeuer der Zugänglichkeit ist und eh noch nicht klar ist, ob es sich als ernsthafte Alternative für Aktivismus, Vernetzung und Aufklärung etablieren wird. Ich werde also erstmal beides parallel nutzen und auf Twitter bleiben, in der vagen Hoffnung, es bleibt vielleicht doch halbwegs benutzbar.
Und sollte euch neben Elon Musk auch Mark Zuckerberg suspekt sein und solltet ihr eine Alternative zu Instagram suchen, hat Jascha Urbach etwas für euch:
Jascha: Falls jemand auf der Suche nach einem Instagram Ersatz ist und schon mit Mastodon rumprobiert: Ich hab eine Pixelfed Instanz aufgemacht. Den Profilen auf einer Pixelfed-Instanz kann auch von einer Mastodon Instanz aus gefolgt werden. Pixelfed ist aber bildlastiger und speziell auf Bilder ausgelegt, und ich wollte das für mich getrennt haben. Fühlt euch eingeladen, diese Instanz mit zu benutzen! https://pixelfed.jascha.wtf/
Vavoriten
Lena empfiehlt:
Im Oktober gelesen hab ich Laylayland (okay, zu 95 %, die letzten 40 Seiten fehlen mir noch), das Leser*innen dieses Newsletters ja nun eh schon ein Begriff ist. Ich hatte jedenfalls viel Freude am Wiedersehen mit Laylay, Zeeto und Mtoto, habe gegrinst über Computerspielvergleiche, mitgelitten bei all der Fakke, die passiert und ein bisschen geweint bei Gesprächen über Vertrauen und das Annehmen der eigenen Monstrosität. Ich kann mir kaum vorstellen, derzeit etwas schreiben zu müssen, bei dem es um Hoffnung geht, aber die Vögte haben es geschafft, dass sich Laylayland gleichzeitig so aussichtslos wie unsere derzeitige Realität anfühlt und trotzdem ein trotziges Gefühl von Hoffnung übrigbleibt. Lest das mal alle.
Außerdem hab ich noch eine Serie zu empfehlen, an der ich viel Freude hatte, auch wenn sie jetzt das Rad nicht neu erfunden hat: Trinkets ist eine Teenie-Drama-Serie um drei sehr unterschiedliche junge Frauen, die eigentlich in der Schule nur aneinander vorbeidriften, sich dann aber näher kennenlernen, weil sie alle in einer Selbsthilfegruppe für Shoplifting sind bzw. sein müssen. Es geht viel um äußeren Druck, durch Familie, Freundeskreis oder in der Beziehung, aber eben auch um Solidarität, Freundschaft und die Befreiung von Erwartungen. Die drei Hauptdarsteller*innen fand ich alle wirklich sehr gut, es gibt viel casual und unproblematische Queerness, schöne Musik, einige ernste Themen und empowernde Momente. Die Serie hat 2 kurze Staffeln und wurde danach leider abgesetzt - die letzte Folge funktioniert aber wirklich gut als Finale. Wer Teenie-Drama mag, kann also mal reinschauen. (Einzige Sache, die mich echt genervt hat: Wird es irgendwann mal eine dieser Serien geben, in denen nicht ein Elternteil der Hauptfigur auf tragische Weise verstorben ist? Das Trope kann langsam mal in die Mottenkiste.)
Judith empfiehlt:
Ich habe mich für eine Literaturliste zur Progressiven Phantastik zwei Monate lang durch Titel gelesen, die ich noch nicht kannte (den Link zur Liste gibts hoffentlich im nächsten Newsletter!) und möchte euch meine beiden liebsten Neuentdeckungen sehr ans Herz legen:
Das Buch der Augen von Swantje Niemann ist eine Urban-Fantasy-Perspektive auf ein deutsches Millennialgefühl: Früh in ihrer akademischen Laufbahn gescheitert kehrt Renia in ihre Heimatstadt Berlin zurück und treibt durch ein zynisches Anfangzwanzigerleben, Sie ist entfremdet von sich selbst und allen um sie herum, niedergeschlagen von der Perspektivlosigkeit ihres eigenen Lebens und unserer Gegenwart, unfähig, sich und ihre Nöte anderen mitzuteilen und sich als Erwachsene zu begreifen. Erst die Begegnung mit ihrer kompromisslosen, fordernden Großtante gibt ihr ein wenig Halt, lässt jedoch auch die Horrorvisionen erstarken, an denen sie wie der Großteil ihrer Familie väterlicherseits leidet, und die ihr eine dämonische Parallelwelt vorgaukeln. Kann sie die Selbsttäuschung, die sie zu ihrem eigenen Schutz errichtet hat, aufgeben und die dämonische rote Welt jenseits unserer eigenen als Realität akzeptieren?
Swantje legt erbarmungslos den Finger in die Wunde und schildert Renia als privilegiertes und dennoch verlorenes Kind von Generationen, die die Dämonen ihrer Vergangenheit nicht bewältigen konnten. Renias Millennial-Dasein ist gleichzeitig Metapher und steht ganz offen im Erzähltext; den Zwiespalt zwischen Ohnmacht und Verantwortung schildert Swantje mit leiser, selbsterkennender, berührender Ironie.
In Krieg und Kröten - Die Frost-Chroniken 1 von Juri Pavlovic kehrt der alternde Siegelmeister und Feuermagier Yuriko in seine Heimatstadt zurück, nachdem er allen, die ihm lieb waren, den Rücken gekehrt und fünf Jahre lang amourösen Eskapaden nachgegangen ist. Er erwartet großes Hurra ob seiner Rückkehr inklusive einer Weiterbeschäftigung auf seinem alten Uni-Posten und wird herbe enttäuscht: Das Leben ist ohne ihn weitergegangen, und das, obwohl sich doch das Universum um ihn dreht! Als seine Freund*innen, darunter seine ehemalige und von ihm im Stich gelassene Schülerin Galina, beschließen, einer rätselhaften stummen Person zu helfen, die von zerstörerischen Magier*innen verfolgt wird, hat Yuriko gerade erst angefangen, es sich wieder gemütlich zu machen, und muss schon entführt werden, um zu dem Helden zu werden, für den er sich schon sein ganzes Leben lang hält.
Mit Yuriko ist Juri eine Seltenheit gelungen: Einen gleichzeitig sympathischen und haarsträubenden Protagonisten, der von einem Patriarchat geformt wurde, in dem er es immer recht bequem hatte – viel bequemer als seine Schülerin zum Beispiel. Wie Chauvinismus und überbordendes männliches Selbstwertgefühl Yuriko oft nicht sehen lassen, wie es Leuten mit weniger Privilegien ergeht, wie er aber trotzdem doch immer im letzten Moment Einsichten hat, die man ihm auf seine alten Tage gar nicht mehr zugetraut hätte – das ist wunderbar witzig und subversiv geschrieben.
Christian empfiehlt:
Nachdem mich die Crowdfunding-Beute des Brettspiels Stars of Akarios in Form von riesigen Boxen voller Miniaturen und eines dicken Kampagnenbuchs erstmal etwas eingeschüchtert hatte, lag sie monatelang im Keller, bis ich mich endlich an die erste Mission gewagt hatte …und habe jetzt ein neues Hobby ;). Stars of Akarios ist eine Art “Gloomhaven in Space”: also ein taktisches Brettspiel mit fortlaufender Geschichte und Rollenspielelementen. Dabei sind die Missionen aber interessanter (mehr als “Töte alle Gegner”) und die Regeln eingängiger als bei Gloomhaven. Das Ganze hat einen starken Battlestar-Galactica-Vibe. Der Fokus liegt auf Raumjäger-Pew-Pew, aber es gibt auch Module, um Planeten und das umgebende All zu erkunden. Außerdem wollen immer wieder folgenschwere Entscheidungen getroffen werden. Das Ganze lässt sich im Solo-Modus und mit bis zu 4 Mitspielenden spielen.
Danke fürs Abonnieren und Lesen und bis zum nächsten Monat!
Lena, Judith und Christian