Mai-Ausgabe 2025
Herzlich Willkommen zur Mai-Ausgabe des Vreundschaftsbriefs!
CRUNCH
Im Genderswapped-Podcast reden Judith und Lena diesen Monat - mal wieder - über Utopien und darüber, ob und wie man sie in diesen Zeiten noch denken, schreiben und umsetzen kann.
Das Audio-Extra für Mai wird noch nachgeliefert! Wir verraten hier aber schon mal, dass wir darin über die erste Staffel Daredevil - Born Again reden.
Die 14. Ausgabe von Queer*Welten ist vorbestellbar! Ihr findet sie bereits jetzt im Verlagsshop des Amrûn Verlags und könnt dort schon das Cover von Mari bewundern - die genauen Infos über die enthaltenen Texte folgen bald. Erscheinen wird die Ausgabe im Juni.
Auf Patreon gab es in diesem Monat den Essay der Vögte fürs Science Fiction Jahr 2025, das wie immer Ende des Jahres erscheint - “Science Fiction als Hoffnungsaktivismus”
Auf TOR Online haben die Vögte einen Werkstattbericht zu antifaschistischer Phantastik verfasst oder eher “eine Anleitung”.
Im Vogt&Vriends-Slack, zu dem ihr als Patreon-Unterstützer*innen Zugang habt, ist der nächste Lesezirkel gestartet - diesmal lesen wir “Anarchie Déco 1930”.
Termine
Samstag, 10.5., 14:30 Uhr: Zusammen mit Frank Reiss hält Christian einen Workshop zu Kritischen Männlichkeit(en) bei der VHS Aachen und es sind noch Plätze frei.
Montag. 12.5.2025, 18:30 Uhr: In der Aachener Buchhandlung Das Buch in Eilendorf findet die Premierenlesung von “Anarchie Déco 1930” statt. Fragt bei Interesse bitte vorher an, ob Karten freigeworden sind, die Lesung ist ausverkauft.
Donnerstag, 15.05., 21:30 Uhr: Lena ist auf der Performativen Buchmesse in Hamburg bei der Bühne der entgeisterten Autor*innen dabei.
Mittwoch, 28.5., 19 Uhr: Eine Seraph-Nominierten-Lesung im Aachener Literaturcafé Vers - Susann Loevenich liest aus “Der Glückskrämer”, James A. Sullivan aus “Schlangen und Stein” und die Vögte aus “Ich, Hannibal”. Begleitet wird das Ganze von Live-Harfenmusik.
FLUFF
Gesucht: Handlungsfähigkeit. Sie liegt irgendwo auf Bluesky zwischen Zynismus und Aufregspiralen.
(von Lena)
In der letzten Woche gab es zwei Tage, an denen ich Social Media ziemlich unerträglich fand: den Tag, an dem der Verfassungsschutzbericht zur AfD (siehe unten) erschien und der Tag, an dem Merz erst nicht, dann doch zum Kanzler gewählt wurde. In beiden Fällen überschlugen sich die Hot Takes, die Memes, die Vermutungen und Warnungen, aktualisiert im Fünf-Minuten-Takt. Es war alles gesagt, aber noch nicht von allen, so offenbar das ungeschriebene Motto. Nun verstehe ich total das Bedürfnis, diese Entwicklungen zu verfolgen und auch Updates dazu zu teilen. Und ich verstehe auch den Impuls, auf die aktuelle politische Lage mit viel Zynismus und Sarkasmus zu reagieren - Galgenhumor eben. Gleichzeitig habe ich teilweise schon den Eindruck, dass sich alle auf Social Media nur so überbieten wollen, wer jetzt den lustigsten Spruch bringt, das beste Meme baut oder am treffendsten prophezeit, ob die Merz-Nicht-Wahl jetzt der AfD schadet oder nützt. Besonders daneben fand ich eine Postillon-Schlagzeile, die auf das Verfassungsschutzgutachten mit “Eilmeldung - Wasser ist gesichert nass” (so ungefähr, ich gucke das jetzt nicht nach) reagierte. Auf diesen Bericht haben alle, die sich für ein AfD-Verbot engagieren, monatelang gewartet, es gab Petitionen und Briefe, dass er endlich veröffentlicht werden soll. Es ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, nämlich eine korrekte Beurteilung einer rechtsextremistischen Partei. Und wenn das dann endlich passiert, ist die Reaktion … Witze darüber zu machen, dass man das ja eh alles schon wusste? Echt jetzt?
Ich verstehe das alles - das Bedürfnis, alles mit Humor zu nehmen. Sich aufzuregen, wenn bei Kanzler(nicht)wahl und Berichtsveröffentlichung bei ARD und ZDF erstmal haufenweise AfD-Politiker*innen das Mikrofon hingehalten wird. All dies in Social-Media-Posts zu gießen, um sich Luft zu machen. Aber ich frage mich dann seit einer Weile immer: Machen wir denn noch mehr als das? Man kann sich nämlich ganz hervorragend jede wache Minute des Tages damit befassen, sich über Merz, Trump, die AfD, die deutsche Polizei, den Supreme Court des UK usw. usf. aufzuregen (alles davon berechtigt, klar!) und in Echtzeit zu kommentieren. Man könnte sich 24 Stunden des Tages damit befassen, wenn man nicht schlafen müsste, und wenn man noch alle anderen Probleme der Polykrise hinzunimmt, dann reicht selbst diese Zeit nicht. Und ich halte Social Media auch nach wie vor für ein geeignetes Werkzeug, um gerade die Stimmen von marginalisierten Menschen zu verstärken und diese miteinander zu vernetzen, so ist es nicht. Aber wenn man sich anschaut, was am meisten geliked und geteilt wird, sind es eben oft nicht die Beiträge, die auf Vernetzungversuchen, auf konkreten Forderungen und auf Hinweisen auf Lebensrealitäten von Marginalisierten beruhen, sondern die empörten oder zynischen Posts. Es geht mir dabei nicht um Tone Policing, das möchte ich betonen, ich verstehe jeden wütenden und polemischen Beitrag. Aber es ist eben auch klar, dass wir mehr machen müssen als Social-Media-Beiträge raushauen. Die interessieren Medien und Politik nämlich maximal als Frage von “was trendet gerade”, aber sie sind, nach allem, was ich darüber gelesen habe, nicht das beste Mittel, um Einfluss zu nehmen. Bessere Mittel sind z. B. Briefe oder Mails an Politiker*innen oder Aufsichtsgremien, Demos, Petitionen, Spenden. Oder konkretes Engagement irgendwo. Die kosten aber mehr Mühe, Energie und Zeit. Kenn ich von mir selbst. Und die konstante Aufregungsspirale frisst Energie - deshalb werfen uns populistische Politiker*innen ja ständig einen neuen Aufregeknochen hin, damit wir wir darauf herumkauen, statt die Dinge zu machen, die sie wirklich stören.
Der andere Aspekt ist der zynistisch-sarkastische Tonfall. Denn der hat oft einen Anstrich von “da machen wir jetzt nen Witz drüber, weil ändern können wir eh nix”. Und ich glaube, dass wir schon oft was ändern könnten - oder es zumindest versuchen - wenn wir nicht die ganze Zeit Witze machen und uns gegenseitig in unserer Chancenlosigkeit bestärken würden. Ich war im März bei einer Veranstaltung von Arne und Nico Semsrott (gibt es übrigens im Juni noch mal in Berlin und Hamburg, ich empfehle es sehr! Prepping for Future heißt das Ganze), wo das noch einmal betont wurde: Wer etwas tut, steckt andere damit an, auch etwas machen zu wollen. Wer nichts tut und betont, dass man sowieso nichts ändern kann, steckt andere damit genauso an.
Ich verstehe, wie gesagt, alles von dem, was ich kritisiere, total gut. Und habe es selbst schon unzählige Male gemacht - die Hot Takes, die Memes, den Zynismus, den verzweifelten Galgenhumor. Und werde vermutlich auch in Zukunft hier und da mal wieder solche Posts raushauen. Gleichzeitig möchte ich an mich und an alle, die das hier lesen, appellieren: Macht mehr als das. Regt euch auf, wenn ihr müsst. Und dann schaut, was ihr konkret tun könnt, um euch in Zukunft weniger aufregen zu müssen. Wenn ihr gleich damit anfangen wollt, scrollt runter zum “Initiative bitte!”-Teil.
Vavoriten
Christian empfiehlt:
Diesmal habe ich zwei Videospiele für euch. Ja, ich war über die Ostertage krank, was sollte ich auch anders machen? Sollte es tatsächlich eine Gamer*in geben, die es gerade nicht spielt, empfehle ich Clair Obscur Expedition 33 von Sandfall Interactive: ein JRPG, das aber nicht japanisch, sondern sehr französisch ist und sich wie Final Fantasy 7 spielt. Was besonders schön daran ist: Hier haben Entwickler*innen dem Konzern Ubisoft den Rücken gekehrt, ein eigenes Studio in Montpellier gegründet und gezeigt, dass man auch als kleines Team grafisch aufwendige Spiele mit emotionaler Story, einer schrägen Welt, die auf Malerei basiert, und einer wirklich großartigen Synchron-Crew (unter anderem mit Daredevil und Shadowheart) auf die Beine stellen kann - und das auch noch zu einem fairen Preis. Hier haben Leute gemacht, worauf sie Bock hatten, ohne von Anzugträgern zu Microtransactions, Live Service und sicheren Bänken gezwungen zu werden, und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Es ist für JRPGs ein bisschen das, was Baldur’s Gate III für CRPGs war. Achja, außerdem haben sie es geschafft, tolle Musiker*innen für einen außergewöhnlichen Soundtrack zu gewinnen.
Ein paar Nummern kleiner, mit minimalistischer Grafik und Retro-Charm, ist Tactical Breach Wizards von Suspicious Developments. In einem Spionage-Thriller legt man sich mit einer fiesen Söldnereinheit an, indem man taktische Missionen im Stil von XCOM erledigt. Aber statt Knarren schießt man mit Zauberstäben, auf denen Laserpointer montiert sind, bricht auf Besen reitend durch Fenster und wird nicht geheilt, sondern von Necromedic nach dem Ableben wiederbelebt. Dank des prophetischen Navy Seers im Team ist man zudem in der Lage, jeden Zug zurückzudrehen. Dazu kommen sehr humorvolle, skurrile Dialoge und das schöne Detail, dass man seine Gegner nicht tötet, sondern nur umhaut oder, besser, defenestriert, also mit Wucht zum Fenster heraus zaubert, wo sie dann magisch in Gewahrsam genommen werden.
Lena empfiehlt:
Nachdem der Film mir mehrfach in Empfehlungen zum Thema queere Filme und queere Filmemacher*innen begegnet ist, habe ich kürzlich I Saw the TV Glow gesehen. Und das, obwohl er auf den meisten Portalen auch unter Horror eingestuft ist. Tatsächlich bewegten sich aber die Horrorelemente in einem Rahmen, der für mich in Ordnung war. I Saw the TV Glow erzählt die Geschichte von Owen und Maddie, zwei Jugendlichen in einer trostlosen Kleinstadt, beide mit schwierigen und teilweise gewalttätigen Elternteilen, die sich anfreunden, weil sie beide die Serie “The Pink Opaque” mögen - eine Teenie-Mystery-Serie, die sehr stark an Buffy angelehnt ist, bis hin zum Schriftzug (es gibt auch einen passenden Cameo im Film). Es fällt mir schwer, den Film zusammenzufassen, ohne zu spoilern, aber es geht sehr viel um die Themen Selbstfindung und Selbstverleugnung, Nostalgie und Medien als verbindende Elemente. Die Stimmung ist melancholisch, manchmal surreal, die Figuren sind toll gespielt. Der Film wird mir auf jeden Fall im Kopf bleiben. Er ist aktuell auf Netflix zu sehen.
Judith empfiehlt:
Christian hat mir das Legacy-Brettspiel Charterstone zum Geburtstag geschenkt, und wie immer waren wir hochgradig süchtig und haben die 12 Partien in weniger als 14 Tagen durchgespielt. Anders als der Klassiker “Pandemic Legacy” (das wir ja abgöttisch lieben) ist “Charterstone” kompetitiv - was wir aber gut verkraftet haben, da wir exakt abwechselnd gewonnen haben, haha. Und da sich auch die Geschichte weiterentwickelt, neue Regeln dazukommen und wir auch den außerhalb des Spielbretts residierenden “Forever King” immer weiter verärgert haben, kam es zu lauter unterhaltsamen Twists und Turns. In seiner Punkte-Sammel-Mechanik und dem Ausbauen von Gebäuden erinnert es an “Terraforming Mars”, alles ist allerdings ein bisschen niedlicher (aber nicht zu niedlich. Es gibt keine kleinen Tierchen!). Am Ende hat man das Brett ziemlich vollgeklebt, es gibt aber eine Variante, um auch nach dem Story-Ende weiterzuspielen.
INITIATIVE BITTE!
Vor einigen Tagen wurde der Bericht des Bundesverfassungsschutzes zur AfD vorgelegt, in dem diese als als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird. Trotzdem haben, trotz einiger Bemühungen, den Verbotsantrag nun wieder auf die Agenda zu nehmen, die neue Regierung und Kanzler Merz noch nicht sonderlich viel Entschlossenheit gezeigt. Es ist also gerade wichtig, weiter Druck zu machen: Zum Beispiel auf einer der zahlreichen Demos, die am kommenden Wochenende stattfinden - hier findet ihr eine Übersicht, zahlreiche Aufrufe gibt es auch in den sozialen Medien. Außerdem ist jetzt ein sehr guter Zeitpunkt, um euren (vielleicht ja auch neuen) Bundestags-Abgeordneten zu schreiben und sie zu bitten, sich für den Verbotsantrag einzusetzen. Die zuständigen Abgeordneten findet ihr hier, z. B. über eure Postleitzahl. Die Initiative AfD-Verbot Jetzt arbeitet auch gerade an einer neuen Vorlage für Anschreiben, die ihr demnächst auf dieser Seite aufrufen könnt. Wie immer gilt: Briefe, so richtig auf Papier und so, machen am meisten Eindruck, also falls es euch möglich ist, schreibt Briefe! Und wenn euch neben Schreiben an die Abgeordneten noch mehr möglich ist, dann fordert doch z. B. die Öffentlich-Rechtlichen auf, Mitgliedern einer gesichert rechtsextremistischen Partei endlich keine Sendezeit mehr zu geben. Kontaktdaten findet ihr hier. Oder ihr sagt mal dem Ministerpräsidenten von Brandenburg, was ihr davon haltet, dass seine Innenministerin den Chef des Brandenburgischen Verfassungsschutzes gefeuert hat, weil er zu sehr gegen die AfD vorgeht.
Danke fürs Abonnieren und Lesen!
Lena, Christian und Judith