Juni-Ausgabe 2024
Herzlich Willkommen zur Juni-Ausgabe des Vreundschaftsbriefs!
CRUNCH
Ich, Hannibal ist erschienen! Wir freuen uns, dass es bei so vielen eingetrudelt ist, danke für eure Fotos und auch die Fotos aus Buchhandlungen!
Wir durften schon ein paar schöne Rezensionen einsammeln, zum Beispiel diese hier auf Literatopia, diese hier bei Ardeja und eine Besprechung zum Starttermin auf queer.de!
Literatopia hat uns außerdem sehr schöne Interview-Fragen gestellt. Und auch in der Aachener Tageszeitung waren wir pünktlich zum Wochenende (samstags in der Lokalzeitung zu sein heißt auch, man wird oft drauf angesprochen, haha).
Auch die aktuelle Folge des Genderswapped-Podcasts widmet sich “Ich, Hannibal”, denn wir haben über Monster gesprochen! Monster in verschiedenen Kulturkreisen, deren Entstehung und Bedeutung, Monster im Rollenspiel und natürlich auch, passend zum Pride Month - Monster als queeres Thema.
Im Audio-Extra vertiefen wir das Gespräch und reden über monströse Medienmomente, die uns gefallen haben.
Die 12. Ausgabe der Queer*Welten ist vor Kurzem erschienen und hat ebenfalls einiges an neuen Monster-Interpretationen zu bieten, beispielsweise zu Drache, Minotaurus und mehr. Wir freuen uns wie immer über Käufe, Rezensionen und Social Media-Beiträge. Ihr könnt das Heft im Verlagsshop als Print bestellen, das Ebook folgt später.
Judiths neueste Übersetzung ist ebenfalls Ende Mai erschienen, der Auftakt zu Jordan Ifuekos Afrofantasy-Jugendbuch-Zweiteiler Raybearer - Die Masken der Aiyetoro. Auf der Piper-Website findet ihr mehr zum Roman!
Auf Patreon gab es im Juni ein Falt-Zine mit römischen Rezepten zum Ausdrucken, Falten und Nachkochen!
Christians Queer*Welten-Artikel What is Dead May Never Die - Nostalgie in der Phantastik ist in gekürzter und leicht aktualisierter Form bei TOR Online erschienen.
Termine
Am Samstag, 22. Juni um 13 Uhr gibts bei Das Buch in Eilendorf (Aachen) die Premierenlesung aus “Ich, Hannibal”. Der Eintritt kostet 10 €.
Am Samstag, 29. Juni, voraussichtlich um 12 Uhr lesen die Vögte auf der FeenCon in Bonn aus “Ich, Hannibal” - das Programm ist aber noch nicht online, vielleicht ändert sich die Uhrzeit noch.
Lena ist am ersten August-Wochenende in Dortmund im Linken Zentrum, für einen Vortrag und einen Workshop:
Am Freitag, den 02.08., 18:00 Uhr, gibt es einen Vortrag zum Thema Darstellung von Behinderung und Krankheit in den Medien (Lena) und durch generative KI (Vortragende Person des Linken Zentrums).
Am Samstag, den 03.08., 12:00 - 16:00 Uhr, gibt Lena einen Workshop zum Thema Utopien erzählen – Storytelling für mehr Inklusion. Entstehen sollen kurze Texte zu Inklusion, Zugänglichkeit und der Suche nach einer besseren Zukunft. Vorerfahrung nicht nötig!
Beide Veranstaltungen sind mit Maskenpflicht bzw. der Workshop wird ggfs. bei gutem Wetter im Innenhof stattfinden.
Der Eintritt ist frei.
FLUFF
Alle Streaks müssen sterben (von Judith)
Jawohl, auch Duolingo, und das trotz der ständigen Bedrohungen und emotionalen Erpressung - oder vielleicht gerade deswegen.
Ich bin ein absoluter Gewohnheitsmensch, wenn ich beschlossen habe, dass sich etwas zu tun lohnt, tue ich es wieder und wieder. Siehe: der monatliche Podcast, der monatliche Patreon oder dieser monatliche Newsletter. Ich habe täglich Yoga gemacht, war wöchentlich joggen, habe eine montägliche Rollenspielrunde, lese im Jahr 80 Bücher, führe ein Bullet Journal, habe ein 5-Jahres-Tagebuch fünf Jahre lang vollgeschrieben, habe Portugiesisch und Dänisch auf Duolingo gelernt, kriege seit 20 Jahren einmal in der Woche eine Biokiste vom örtlichen Biobauern, höre die meisten Podcasts, die ich einmal “ernsthaft” angefangen habe, für immer weiter (Hallo, Deutschlandfunk-Nova-Historiker Dr. Matthias von Hellfeld, lass uns zusammen alt werden!) und mache jedes Jahr pedantisch beim Stadtradeln mit - und könnte diese Liste noch lange fortführen.
Aber ich habe in den letzten Wochen mehrere Streaks einfach sterben lassen. Ich habe meinen Duolingo-Account gelöscht und auch jede andere Möglichkeit unterbunden, über die mir die Eule Drohungen zukommen lassen könnte. Ich habe manchmal einfach vergessen, Yoga zu machen. Ich habe meinen Jogging-Streak abbrechen lassen und bin erst bei schönem Wetter wieder gelaufen. Apps haben mir Erinnerungen geschickt und waren sehr traurig, denn es ging ja schließlich um etwas Wichtiges. Mich! Sie wollen das doch alles nur für mich, für meine Gesundheit, meinen Fokus, meine Bildung, mein langes Leben, meine gesunden täglichen Gewohnheiten.
Aber vor allem wollen sie eins: dass ich möglichst lange und möglichst oft in möglichst viele Apps starre und möglichst viel von meinem Leben aufzeichne, belege, beweise, um dafür kleine jpgs von Pokalen und Medaillen und Flammen zu bekommen.
In der Selbstoptimierungskultur gibt es diese Theorie, dass etwas, wenn man es 6 Wochen lang täglich getan hat, zur Gewohnheit wird. Wie Zähneputzen, steht dann da oft. Meditiere täglich, nach 6 Wochen ist es wie Zähneputzen!
Das ist eine Lüge. Ich kann das jetzt sagen, denn ich habe in den vergangenen Wochen meine Streaks sterben sehen und nichts dabei empfunden. Kein schmutziges Mundgefühl, keine pelzige Zunge, keinen Zahnbelag, keinen Zahnstein, keinen müffelnden Atem. Du kannst Dinge, die du 600 Tage lang gemacht hast, einfach aufhören, und dein Leben wird dadurch nicht ärmer. Ja, wirklich - ich war auch ein bisschen erstaunt!
Du kannst natürlich auch weitermachen, ich werde dich ganz sicher nicht dafür verurteilen, nach dem Spanisch-Kurs direkt mit Koreanisch weiterzumachen und jeden Morgen (noch vor dem Zähneputzen) mit einer App-geführten Meditation zu beginnen.
Aber während Streaks natürlich dazu beitragen können, dass wir lernen oder uns um unsere Fitness und Gesundheit kümmern, sind sie doch auch ein Tech-Company-Machtinstrument aus der Gamification-Hölle, das absolut nichts mit der Selbstverständlichkeit von Mundhygiene zu tun hat. Und wenn wir wieder auf der Suche nach Lösungen für unsere Probleme eine neue App installieren (ja, ich denke auch oft als Erstes: “Ob es dafür wohl eine App gibt?”), sollten wir uns vielleicht zumindest bewusst sein, dass wir sie einfach jederzeit wieder sterben lassen können, ohne uns schuldig oder wie ein*e Versager*in zu fühlen.
Vavoriten
Lena empfiehlt:
Eine erstaunliche Menge meines Medienkonsums (siehe die neulich empfohlene Serie Mythic Quest) speist sich ja aus “mal gucken, was die Community-Darsteller*innen so neues gemacht haben”, und genauso kam ich auch zu Mr. and Mrs. Smith - die Serie, nicht der Film. Der natürlich eine Adaption der Serie ist, und zwar von und mit Donald Glover. Die zweite Hauptrolle spielt Maya Erskine (die eine kleine Rolle in Obi-Wan Kenobi hatte und ansonsten auch die Hauptfigur Mizu in Blue Eye Samurai spricht). Anders als im Film, in dem die beiden Hauptfiguren zunächst gegenseitig nichts von ihrer Spionagetätigkeit wissen, werden John und Jane Smith in der Serie bewusst zusammengesteckt. Eine anonyme Firma, die nur per Chat mit ihnen kommuniziert, wählt die beiden aus und erteilt ihnen dann ihre Aufträge. Und obwohl die beiden eigentlich zuerst nur ohne jede Romantik den Job machen wollen, kommt es natürlich anders. Das Konzept klingt natürlich erst mal ein bisschen nach The Americans, legt aber zum Glück den Fokus gleich so anders, dass man die beiden Serien nicht zwingend miteinander vergleicht. Jane und John haben keine Profi-Spionage-Ausbildung, es gehen öfter mal Dinge schief und eskalieren fröhlich vor sich hin. Der Fokus der Serie liegt aber auf der Beziehung zwischen den beiden und die Folgen sind auch alle nach den “Meilensteinen” einer (typischen, heterosexuellen, monogamen) Beziehung konzipiert: Erstes Date, erster Urlaub, oder (Highlight-Folge!) Paartherapie. Glover und Erskin sind grandios in ihren Rollen, die Dialoge machen Spaß und gleichzeitig beginnt man bald zu ahnen, dass das alles womöglich kein so gutes Ende nehmen wird - spätestens, wenn der Chat-Auftraggeber den ersten von 3 Strikes für verkackte Aufträge ankündigt. Die Serie hat mir sehr viel Spaß gemacht, und das OBWOHL eins meiner verhasstesten Tropes ever darin vorkommt, nämlich - Spoiler - der völlig sinnlose Tod eines Haustiers. (Wenn ihr den auch gerne nicht sehen wollt: Ungefähr Minute 03:30 bis 05:30 der letzten Folge überspringen.)
Judith empfiehlt:
The Slavic Myths von Noah Charney und Svetlana Slapšak ist eine sehr gute Sammlung slawischer Mythen, die anders als viele andere Märchen- und Mythensammlungen nicht nur Geschichten nacherzählt oder nachkonstruiert, sondern zu jeder Geschichte (es sind insgesamt sieben) ein Kapitel anfügt, in dem das Motiv der Geschichte erläutert wird. Es geht um Vampire, Werwölfe, Wasserkreaturen, Magie, dreigesichtige Gottheiten, um ihre historischen Ursprünge und ihre Rezeption in den letzten zwei Jahrhunderten. Dabei konzentriert sich die Sammlung nicht auf Russland, sondern schlägt den Bogen über ganz Osteuropa vom Baltikum bis zum Balkan.
Ich habe Zeiten der Langeweile von Jenifer Becker gelesen, die Odyssee einer Frau, digital nicht mehr sichtbar zu sein. In drei Abschnitten gerät die Ich-Erzählerin in den Sog ihres Wunsches - zunächst löscht sie ihre Social-Media-Kanäle, dann beginnt sie ein Leben ohne Smartphone, hört auf, Streamingdienste zu nutzen und schließlich steht der Wunsch da, ganz aus der Einflusssphäre des Digitalen zu entkommen. Beim Lesen ist kaum mehr zu sagen, was Abrechnung ist, was Satire, was Selbsterkenntnis, was überspitztes Millennial-Rabbithole. Das Buch endet dann auch exakt so profan und selbstironisch wie nötig.
Christian empfiehlt: Ich habe ausnahmsweise mal ein Spiel auf dem PC gespielt. Pentiment ist eine dialoglastiges Point&Click-Adventure. Man spielt einen Maler in einem bayerischen Dorf Anfang des 16. Jahrhunderts und muss nacheinander drei Kriminalfälle mit einigen Jahren Abstand lösen. Das besondere hierbei: das Spiel bedient sich der Optik der Illustrationen in mittelalterlichen Handschriften (inklusive Schmuckränder mit jede Menge Hasen und an Katzen mit Feuertopf-Jetpacks, ihr wisst schon, die hier:
). Außerdem taucht man tief in die Welt des deutschen Hochmittelalters ein. Viele Begriffe werden hier durch ein Fußnotensystem erklärt und ich habe nebenbei eine Menge über die Epoche gelernt.
Ihr wollt das Spiel vielleicht nicht im englischen Original spielen, sondern in der wunderbaren deutschen Übersetzung, die ohnehin viel besser zum Setting passt und aus der Feder von Cifer und seinem Team stammt, den Einige vielleicht aus unserem Slack kennen. Apropos: Vielen Dank an die Gamer*innen im Vogt&Vriends-Slack für diese Empfehlung!
INITIATIVE BITTE!
Im vergangenen Monat haben wir schon über die Wichtigkeit eurer Stimme bei der Europawahl geredet - wir haben hier zwei europäische Anliegen, zum einen eine Petition, die verhindern will, dass Viktor Orbán am 1. Juli die rotierende Ratspräsidentschaft der Europäischen Union übernimmt. Initiiert wurde die Petition unter anderem vom Grünen EU-Abgeordneten Daniel Freund aus Aachen, dessen Hauptanliegen es ist, Korruption, Vetternwirtschaft und Gelder und Einfluss für Diktatoren wie Orbán zu stoppen:
https://innn.it/notmypresidentEine weitere EU-Initiative ist die Petition “My Voice, My Choice: Für einen Zugang zu sicheren Abtreibungen” - mit wechselnden Ländern im Schwerpunkt versucht die Kampagne, Unterschriften für das EU-weite Recht auf Schwangerschwaftsabbruch zu mobilisieren. Deutschland war zwar schon Kampagnenschwerpunkt, aber es kann noch weiterhin unterschrieben werden:
None
Give your support !
Wir schicken diesen Newsletter außerdem einen Tag früher raus als sonst, denn vielleicht erreichen wir noch die letzten Wahlwankelmütigen unter euch (auch, wenn wir nicht unterstellen wollen, dass unter euch Nicht-Wählende sind). Ich (Judith) habe auf Bluesky einen guten und meiner Meinung nach wichtigen Thread zu Grüner EU-Politik gefunden, den ich gern noch mit euch teilen wollte, daher kopiere ich ihn hier rein. Autor ist Yves Venedey:
“Die Grünen im Europaparlament haben in den letzten fünf Jahren verdammt gute Arbeit geleistet. Es wäre unfair, ausgerechnet sie bei der Europawahl für die FDP-Blockaden in der Ampel zu bestrafen! Warum die Wahl einer unerfahreneren Minipartei dem Klimaschutz sogar schaden könnte - ein Thread:
Anders als im Bundestag gibt es im Europaparlament keine festen Koalitionen. Grüne wie z.B. Terry Reintke, Michael Bloss, Anna Cavazzini oder Jutta Paulus haben dort in den letzten Jahren mit Detailkenntnis, Verhandlungsgeschick, Erfahrung, guten Kontakten zu den anderen Fraktionen, Hartnäckigkeit, Pragmatismus und dank der Zuarbeit vieler erfahrener Mitarbeiter*innen viel mehr erreicht, als man angesichts der Mehrheitsverhältnisse im EP erwarten konnte. (Ich könnte noch viele weitere grüne Europaabgeordnete nennen: Erik Marquardt, der sich für eine humanere Flüchtlingspolitik einsetzt, Kathrin Langensiepen kämpft für die Rechte von Behinderten, Martin Häusling für die Agrarwende.) Eine neue Minipartei bräuchte erst einmal zwei Jahre, um sich im Europaparlament einzuarbeiten. Zeit, die wir nicht haben! Die Letzte Generation meint, es komme nicht auf die Details an. Doch genau darauf kommt es in der Gesetzgebung an! Außerparlamentarischer Protest ist wichtig, aber im Parlament kommt es darauf an, bei Kompromissen mit den anderen Fraktionen möglichst viel für den Klimaschutz herauszuholen. Natürlich können sie dabei mehr erreichen, wenn es Druck von einer starken Klimabewegung gibt. Wir brauchen im Europaparlament keine Leute, die sich dort festkleben. Sondern Leute, die wissen, wie man mit den anderen Fraktionen, der EU-Kommission und dem Rat Gesetze aushandelt. Am Wahlabend werden alle auf die Balken der größeren Parteien starren: Wer wird zweitstärkste Kraft, Grüne, #noAfD oder SPD? Verlieren die Grünen stark, stärkt das antigrüne Narrative. Dass Stimmen von den Grünen zu Miniparteien gingen, die ebenfalls ambitionierten Klimaschutz fordern, wäre nur eine Fußnote. Die Position der Grünen in der Ampel wäre geschwächt. Die Leitartikler würden schreiben, die Leute wollen trotz Überschwemmungen und Katastrophen keinen Klimaschutz. Darum am 9. Juni #machenwaszählt! Wählt Grün gegen den Rechtsruck!”
Nicht mit EU-Fokus, aber auch wichtig: Die Kampagne Solardarity - Neue Energie für Rojava versucht, 1 Million Euro für Solarpanels in Rojava zu mobilisieren.
Und wenn ihr ein bisschen Geld für eine Spende übrig habt: die TIN-Rechtshilfe, die Unterstützung und Beratung für trans*, inter* und nicht-binäre (TIN) Personen anbieten, deren Rechte verletzt wurden, sammelt Spenden, um die Kapazitäten des Projekts aufzustocken und mehr Leuten helfen zu können.
Danke fürs Abonnieren und Lesen!
Lena, Judith und Christian