Juli-Ausgabe 2025
Herzlich Willkommen zur Juli-Ausgabe des Vreundschaftsbriefs!
CRUNCH
Im Juli gab es im Genderswapped Podcast zum einen die Queer*Welten-Livefolge zum Nachhören und eine “Ask Us Anything”-Folge, die bei Lenas Besuch bei den Vögten aufgenommen wurde.
Im Juli gibt es kein Audio-Extra.
Auf Patreon gab es im Juli eine vom Gender Dream Gap inspirierte Kürzestgeschichte namens “Die Traumlücke” von Judith.
Queer*Welten hat nicht nur eine frisch erschienene Ausgabe 14, sondern auch zwei Preise gewonnen: Den European Science Fiction Society Award als Bestes Magazin und den Kurd-Laßwitz-Preis in der Sonderkategorie “kritisch - engagiert - intersektional”. Mehr dazu auf der Website. In unserem Patreon-Lesekreis wollen wir Ausgabe 14 übrigens als nächstes lesen, wenn ihr dabei sein wollt, aber noch kein*e “Vriend” seid: Hier gehts lang.
Termine
26.07.2025 - 15:00 Uhr und 27.07.2025 - 10:30 Uhr: Im Rahmen des Literarischen Sommers gibt es zwei Literarische Spaziergänge mit den Vögten und Stefan Wieczorek in Aachen. Mehr Infos gibt es hier.
FLUFF
Romantasy als buchgewordenes Daddy Issue (von Judith)
Ja, ja, not all Romantasy. Aber nach meiner neusten Übersetzung muss ich mir ein paar Beobachtungen von der Seele schreiben. Hier also meine unvollständige, rantartige Liste (oder mein listenartiger Rant?) anhand derer ihr erkennt, ob eine Romantasy-Story ein buchgewordenes Daddy-Issue ist - aus der Sicht der Protagonistin.
die harte, überlegene Körperlichkeit: Mein Lover könnte mich Vater-zu-Kind-artig kontrollieren / bestrafen, aber er nutzt seine Kraft nur, um mich mit seiner stahlharten Körperlichkeit zu beeindrucken, mich ein bisschen sexy herum zu manhandlen und um mich zu beschützen (wie ein guter Vater die patriarchale Kernfamilie beschützt, über die er herrscht). Touch me and die!!
das “der gute König”-Trope: Meinem Lover steht die Macht über ein Königreich qua Geburt / Bestimmung zu, sie ist bei ihm (anders als etwa bei meinem bösen Vater) gerechtfertigt. Wenn ich ihn erst charakterlich gerettet und zum Guten verändert habe, ist er der gute König, der gerechte Tyrann. Der Status Quo der Monarchie mit dem König als Herrscher über alle anderen ist ein ebenso rettbares Konzept wie das des wohlmeinenden Ehemannes, der als einziger Erwachsener im Raum über Frau und Kinder herrscht. Wenn man sich dafür nur den Richtigen aussucht. (Er ist der Richtige.)
das fremdbestimmte Ehe-Trope: Natürlich steht eine von meinem (bösen) Vater eingefädelte Verlobung im Raum - so kann ich mich gegen die patriarchale Dualität Vater+Verlobter auflehnen, dabei ein paar Feminismus-Instagram-Sprüche loswerden und dabei kein Stück am Patriarchat selbst kratzen! Hauptrollen darin spielen mein erster Kuss und meine Jungfräulichkeit. Mein Lover ist die Überwindung dieser beiden bösen Patriarchen - und wird zum paternalistischen Verwalter meiner Lust, denn er gibt mir den ersten Kuss und das erste Mal und kennt die Knöpfchen meiner Befriedigung. (Das betrifft natürlich auch Kink, der offenbarungsartig von ihm ausgehen muss.)
männliche und weibliche Energie klickt einfach: Binäre Geschlechterstereotype, Körperbilder, Verhaltensweisen und Rollen müssen wir natürlich nicht hinterfragen, denn in unserer perfekten Liebesbeziehung rasten die einfach so ein, wie wir sie leben. Damit kann auch die soziale Hierarchie intakt bleiben, denn der wohlmeinende Lover erlaubt mir natürlich alle gewünschten Freiheiten und liebt mich für immer, damit sind Missbrauch, Scheidung und Altersarmut ausgeschlossen. Augen auf bei der Partnerwahl, dann ist Feminismus überflüssig!!
Der perfekte Daddy provided, ohne sich zu beklagen: für mich, für sein Königreich, aber natürlich auch für die Kinder, die bald anstehen. Ich fühle mich - anders als bei meinem bösen Vater - bei ihm sicher, geborgen und auskömmlich abgesichert. Ein Traum!
Vavoriten
Lena empfiehlt:
Ich war neulich im Urlaub und habe endlich mal wieder ein bisschen gelesen. Zum einen das schon lange auf dem Stapel liegende Das Geflecht - An der Grenze von Jol Rosenberg. In dem Roman wird der vermeintlich unbewohnte Planet Beta3 von terranischen Siedlern als neuer Ort für Bergbau auserkoren - während in Wirklichkeit dort sehr wohl gleich zwei indigene Spezies leben, die den Planeten Rusal nennen und miteinander, dem Planeten und der Fauna und Flora mit einem übernatürlichen Sinn verbunden sind, den sie “das Geflecht” nennen. Es kommt zu Begegnungen und Auseinandersetzungen, auf beiden Seiten gibt es wohlmeinende Personen und jene, die eigene Interessen vertreten, allen voran die Führung der menschlichen Kolonie, die nur ausbeuterische Interessen im Sinn haben - für den Planeten und für die hart schuftenden Menschen unter ihrer Kontrolle. Es ist ein sehr ruhiges Buch, in dem Konflikte und Missverständnisse meist ohne Gewalt ausgehandelt werden. Der Blickwinkel der beiden Rusal-Völker auf das Tun der Menschen hat mir gut gefallen, auch die immer wieder deutlich werdende Kapitalismuskritik. Ein zweiter Band ist in Arbeit, ich fand aber, dass das Ende des Buches auch die Dinge so zu Ende bringt, dass man nicht mit allzuvielen Cliffhangern stehengelassen wird.
Ebenfalls im Urlaub gelesen habe ich Rose/House von Arkady Martine, deren nächstes Buch ich nach den wunderbaren Romanen A Memory Called Empire und A Desolation Called Peace sehnlich erwartet habe. Rose/House ist eine kurze Novelle, eine Art Haunted House-Geschichte als Science-Fiction-Format, die sich um das Haus eines weltberühmten Architekten dreht, das komplett von einer KI gesteuert ist und in dem besagter Architekt inzwischen gestorben ist. Nur seine ehemalige Schülerin darf das Haus betreten - und bekommt einen Anruf von der Polizei, dass trotz all dieser Vorsichtsmaßnahmen eine Leiche im Haus gefunden wurde. Witzigerweise denke ich, dass das Buch gerade in der Lücke entstanden ist, in der KI als interessante und mysteriös-bedrohliche Entität für Autor*innen sehr reizvoll erschien; ihr wisst schon, ehe ChatGPT, Midjourney und Co auf den Markt kamen und zwar bedrohlich für all unsere kreativen Jobs wurden, dabei aber weder mysteriös noch interessant. Die Rose House-KI jedenfalls ist ein wunderbarer moderner Spuk, der mit der ermittelnden Polizistin bald eine sehr eigene Beziehung eingeht, während deren Kollege außerhalb des Spukhauses allerlei selbstironisch gebrochene Noir-Detective-Dinge erlebt und damit sehr gut dafür sorgt, dass zwischendurch auch etwas Humor die Stimmung wieder hebt. Eine sehr schöne Novelle, die man gut an einem Abend lesen kann.
Judith empfiehlt:
Es ist wieder die unregelmäßig auftretende Zeit im Jahr, um Apple TV+ zu abonnieren. Vornehmlich, um “Murder Bot” zu schauen, an dem ich nichts auszusetzen habe, außer, dass die Folgen zu kurz sind. Mehr dazu in Christians Vavoriten. Wenn man aber eh einmal einen zusätzlichen Streamingdienst abonniert, kann man auch alles andere schauen, was da noch so weitergegangen ist, also sei hiermit verkündet: Es gibt eine 4. Staffel von Mythic Quest, der Videogame-Workplace-Comedy. Diesmal gibt es zwar keine Folge, die mit der Nebula-Award-Folge vergleichbar wäre, aber ich habe es schon sehr genossen, diese sehr absurden Figuren wiederzusehen. Ian und Poppy programmieren eine Expansion, von der niemand weiß, während PlayPen in Kinderarbeitsanschuldigungen verwickelt ist. Dazwischen: Krimidinner!
Was wir auch weitergeschaut haben, ist Silo, aber ich weiß nicht, wie ich dazu stehe. Dass die 2. Staffel in zwei Bunkern erzählt wird, ist an sich interessant und öffnet das Klaustrophobische der 1. Staffel hin zu einem größeren Worldbuilding, aber gleichzeitig gibt es einfach viele “Man vs. Nature”- / “Juliette vs. kaputtes Silo”-Plots, es gibt viele Komplikationen, die genau dann kompliziert oder egal sind, wenn der Plot sie halt gerade braucht oder nicht braucht. Im bereits bekannten Heimat-Silo hingegen entspannt sich ein politischer Plot, der nur von seinem onkeligen Beamten-Bösewicht lebt, der in jeder 2. Szene einen wichtigen Dialog hat, aber mir irgendwann einfach nur noch auf die Nerven ging. Aber irgendwie war es alles doch interessant genug, um es weiterzuschauen, wenn man den Streamingdienst eh grad abonniert hat. Hm.
Christian empfiehlt:
The Bright Sword von Lev Grossman ist noch ein weiterer Artusroman. Allerdings erzählt er nicht erneut 720 Seiten geballte Gralssuche, sondern nimmt die Perspektive der Außenseiter*innen der Tafelrunde ein, Gaukler, die versehentlich zum Ritter geschlagen wurden, Ritter mit Behinderungen, Zauberinnen aus der zweiten Bank, Hochstapler und trans Ritter, die alle nach Artus’ Tod und dem Ende der Tafelrunde einen Weg finden müssen, Britannien vor dem Chaos zu bewahren. Dabei erzählt Grossman keine “wahre” frühmittelalterliche Version der Artussage, sondern trägt der Tatsache Rechnung, dass die meisten Artusgeschichten eine Art Fanfictionsammlung aus dem Hochmittelalter über einen frühmittelalterlichen, römisch geprägten Kriegsfürsten sind. Der Roman ist also voller gewollter Anachronismen, stellt euch das beste aus den Filmen “King Arthur” und “Excalibur” gleichzeitig vor, und das funktioniert erstaunlich gut. Dabei gelingt es, all die bekannten Themen einzufangen: Christentum vs. Heidentum, Gott vs. Feen, Roms Erbe vs. britische Tradition vs. einfallende Sachsen, eine magische Welt der Aventüren (mein größter Kritikpunkt an der Übersetzung: Quest sollte Aventüre sein, nicht Abenteuer! pfft), jede Menge magische Schwerter, ein Questentier und Lancelot ist ein Kackvogel. Es lohnt sich für alle, die umfassend von der Artussage in all ihren Facetten unterhalten werden wollen.
Buchverfilmungen sind nicht immer gelungen, bei Novellen stelle ich mir die Herausforderung noch größer vor, besonders, wenn die Vorlage so gut ist, einen speziellen Humor und viel Innensicht beinhaltet. Apple TV+ ist der Clou mit Murderbot aber gelungen. Das Voice-Over fängt die Innensicht und das skurrile Feeling aus den Novellen auch auf dem Screen ein. Alexander Skarsgård mag ein manly man Schauspieler sein, es gelingt ihm aber, Murderbots Geschlechtslosigkeit und soziale Weirdness exzellent rüberzubringen. Als visuellen Bonus habe ich jetzt beim übrigen Cast, dessen Mitglieder ich bis auf Dr. Mensah und Gurathin ständig verwechselt habe, endlich Gesichter vor Augen. Ein weiteres Schmankerl sind die dazugekommenen und herrlich trashigen Ausschnitte von Murderbots Lieblings-Space-Opera “Sanctuary Moon”.
INITIATIVE BITTE
Wir weisen heute auf zwei Bundestagspetition hin, die ihr vielleicht mit unterzeichnen möchtet:
Einmal die Petition zur Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Diese hat zwar bereits etwas über die Hälfte der nötigen Stimmen erreicht, die es braucht, damit im Bundestag über das Thema gesprochen werden muss, aber die zweite Hälfte fehlt natürlich noch. Die Petition fordert eine progressive (also nach Höhe des Vermögens weiter ansteigende) Vermögenssteuer für Vermögen über eine Million Euro.
Die zweite Petition wurde von Autor Saša Stanišić gestartet und hat das Verbot von Deepfakes von echten Menschen zum Ziel. In Dänemark wurde bereits eine neue EU-Initiative zu diesem Thema gestartet.
Ansonsten gab es gerade noch einen Artikel auf NTV zur sinkenden Zahl der Stammzellen-Spender*innen, die z. B. zur Behandlung von Blutkrebs benötigt werden. Wenn ihr noch nicht registriert seid und ihr dafür infrage kommt, schaut doch mal, ob ihr euch bei einer der Organisationen registriert.
Und auch wenn wir schon mehrfach darauf hingewiesen haben: Macht euch weiter stark zum Thema AfD-Verbot! Auf der Seite der Initiative AfD-Verbot Jetzt ist auch inzwischen das aktualisierte Abgeordneten-Tool für den neuen Bundestag verfügbar.
Danke fürs Abonnieren und Lesen!
Judith, Lena und Christian