Juli-Ausgabe 2021
Hallo und herzlich willkommen zu unserem zweiten Vreundschaftsbrief!
Schön, dass ihr (weiterhin) dabei seid!
Erst mal: CRUNCH!
Ende August erscheint der neue Roman der Vögte: ANARCHIE DÉCO, Urban Fantasy im Berlin der Zwanzigerjahre! Die Goodie-Pakete der Vorbestellaktion sind leider schon alle weg, aber es gibt noch digitale Goodies, über die ihr euch auf unserer Website informieren könnt.
Wie angekündigt ist Ende Juni der erste Teil von Judiths “Frühwerk” DIE KATZENÄUGIGE als eBook bei Amazon erschienen. Lena hat als Lektorin daran mitgearbeitet. Ihr findet “Der Wald der Welt” exklusiv auf Amazon.
“Recherchiert ihre Machenschaften, veröffentlicht die Story ... und bringt sie zu Fall!” GUERILLA JOURNALISTS, Christians Erzählspiel über Enthüllungsjournalismus, erscheint im August. Falls ihr euch für das Spiel interessiert und noch nicht wisst, wie es abläuft: Christian hat bei PnP-Tings die Mini-Kampagne Deep Core im Aces in Space-Setting geleitet, in der ihr einen Eindruck bekommt.
Die Juli-Folge “Historische Urban Fantasy” vom GENDERSWAPPED PODCAST ist online! Dazu gibts auf dem Vogt&Vriends-Patreon außerdem ein Audio-Extra zum Thema Berufe in der Urban Fantasy und allgemein in der Literatur! Alle Infos dazu findet ihr bei Patreon. Außerdem ist der Genderswappd Podcast am 08.07. drei Jahre alt geworden und wir haben uns ein neues Logo von Risto gegönnt! Seht selbst!
Im VOGTalk reden Judith und Christian mit Lena über E(rnsthafte)- und U(nterhaltungs)-Literatur und darüber, warum es diese Unterscheidung gibt und warum es ein weiteres Binary ist, das zerschlagen gehört.
Judith war zu Gast bei Elea Brandts Worldbuilding 2.0-Panel am Releasetag ihres neuen Romans “Mutterschoß”.
Außerdem wurde sie vom Börsenblatt des deutschen Buchhandels zu geschlechtergerechter Sprache interviewt (und erhält seitdem unterhaltsame Troll-E-Mails).
Termine 10.07.2021, 20:00 Uhr - HEUTE ABEND!: Wir feiern 1 Jahr QueerWelten! Im Juni 2020 erschien die erste Ausgabe, und wir wollen zusammen mit euch das einjährige Jubiläum feiern - natürlich pandemiekonform online. Dazu laden uns netterweise die PnpTings in ihren Twitch-Channel ein. Wir erzählen ein bisschen von hinter den Kulissen und beantworten gern eure Fragen.
Und jetzt zum FLUFF
Guerilla Journalists - Werkstattbericht Mit Guerilla Journalists erscheint ein kleines RPG-Projekt, das wie Aces in Space auch mehr oder weniger von einem Hack zu einem vollwertigen Spiel angewachsen ist. Podcasts wie Scene on Radio oder The Women’s War, die fundiert recherchiert Themen und Zusammenhänge beleuchten, die in vielen großen Medien nicht präsent sind, haben mich (Christian) zu diesem Thema inspiriert. Es ist also explizit als stark politisches und progressives Spiel konzipiert. Regelseitig hat mich das Tag-System von City of Mist angesprochen. Elemente daraus habe ich (mit dem OK des Autors - danke, Amít Moshe!) mit Moves verbunden, die stark von den Spielzügen in Fate inspiriert sind. Dadurch habe ich versucht, ein schlankes Pbta-System zu schaffen, das intuitiv zu spielen ist, indem es nur 6 Moves verwendet, die sich vor allem auf journalistische Tätigkeiten beziehen, aber dennoch alle möglichen Aktionen abseits davon erlauben. Außerdem gibt es sogenannte Dramapunkte für Leute, die in entscheidenden Momenten ähnlich schlecht würfeln wie ich selbst ;). Dazu beinhaltet das Buch zwei Beispielsettings (aus den Welten von Scherbenland bzw. Aces in Space) mit jeweils einem vollen Set an Archetypen, um direkt losspielen zu können. Abseits davon lässt sich Guerilla Journalists aber mit allen möglichen Erzähl- und Spielwelten kombinieren. Außerdem wird am Anfang einer Runde der Ton festgesetzt, denn man kann dieses Spiel sehr heiter spielen, aber auch in realweltliche Abgründe hinabsteigen. Besonders hervorheben möchte ich noch das wunderbare Layout, das Judith gebaut hat! Und jetzt: viel Spaß bei eurer ersten Story!
Pride-Month und Kapitalismus Der Pride-Month liegt hinter uns und die meisten Firmenlogos auf den Social Media wurden am 1. Juli wieder in ihre Nicht-Pride-Varianten zurückverwandelt. Und eigentlich sollten wir es ja positiv und schön finden, wenn sich im Juni alles in Regenbogenfarben verwandelt, oder? Aber Regenbogenkapitalismus will vor allem eins: verkaufen. Das ist im Kapitalismus auch eine absolut nachvollziehbare Reaktion, aber es ist halt nicht so, dass Firmen damit auch automatisch Verbündete im Kampf um beispielsweise Selbstbestimmungsrechte sind. Es ist eine ganz einfache Rechnung: Lässt sich mit dem Geld von Pridefarben-liebenden Queers und Allies mehr Geld machen als mit denen, die sich bei jeder Regenbogenflagge darüber entrüsten, dass jetzt langsam aber auch mal gut sein müsse? Kann man sich vielleicht sogar im Konflikt zwischen denen profilieren, die androhen, ihr Geld nicht mehr bei Juni-Regenbogenkonzern X auszugeben, und denen, die diesen Leuten (zu Recht) Queerfeindlichkeit vorwerfen? Ja? Dann her mit der Pride-Flag im Juni! Dazu werden noch ein paar schön bunte Produkte ins Rampenlicht gerückt - und schon zücken hoffentlich mehr Leute die Brieftasche als sie wegzustecken. Und es sei auch echt allen gegönnt. Das Regenbogen-Lego-Set, die Funko-Pops in Regenbogenfarben, die Shirts mit Disney- und Star-Wars-Logos in Regenbogenfarben - wenn ihr das mögt, haut rein! Wenn der bunte Großkonzern tatsächlich Teile des Geldes in LGBTQIA+-Projekte steckt: umso besser (und das tun tatsächlich einige). Aber gleichzeitig können wir herzlich wenig hinter die Kulissen von Firmen gucken. Wie werden queere Mitarbeitende behandelt? Und, im Falle von Disney, Marvel, Star Wars und Co.: Falls queere Menschen in den Hauptprodukten dieser Firmen auftauchen, ist das meist gut rauseditierbar und betrifft nicht den Plot. Denn wenn es darum geht, die Rechte ins Ausland zu verkaufen, ist die oben angeführte Rechnung “Mehr Geld durch Queers und Regenbogenfans als durch Hater” dann doch nicht mehr so eindeutig - und es schimmert durch, was großen Firmen doch letztlich wichtiger ist. Ein Regenbogen ist halt tatsächlich sehr schön bunt und nicht viel Arbeit - anders als Repräsentation und der Einsatz für gesamtgesellschaftliche Veränderungen. In diesem Pride-Month hat uns besonders geärgert, dass die SPD die bunte Fahne wehen ließ, nachdem sie mit der CDU geschlossen gegen das Selbstbestimmungsgesetz gestimmt hat. Und dass die Fanartikel-Kette Elbenwald sich nicht zwischen Pride-Month und Harry-Potter-Geburtstag entscheiden konnte. Mit Regenbogenflagge für eine transfeindliche Autorin werben ist halt Rainbow-Capitalism in Hochform: Bloß keine Stellung beziehen, aber von der schön bunten Stimmung profitieren. Uns ist klar, dass Elbenwald sicherlich zu großen Teilen von Potter-Merchandise lebt - aber es zwingt sie auch keiner, im Pride-Month als Lippenbekenntnis eine Flagge zu zeigen, wenn sie gleichzeitig in Potter-Fan-Panels und “Eure schönsten Harry-Potter-Erinnerungen!” schwelgen wollen. Auch im Pride-Month hat die Trans- und Nichtbinärfeindlichkeit, angefacht von einflussreichen Stimmen, weiter zugenommen, es gab etliche Thinkpieces gegen geschlechtergerechte Sprache, gegen das Selbstbestimmungsgesetz, gegen trans Sportler_innen und Polemisches rund um diese unsägliche “Wer darf in welche Umkleide und auf welches öffentliche Klo”-Debatte. Wir sind noch lange nicht fertig, bloß weil gut sichtbare Unternehmen vermeintlich Farbe bekennen. Ally für queere Menschen zu sein ist leider nicht so bequem, wie die Firmenlogos es suggerieren und es erfordert Stellungnahme statt buntem Lippenbekenntnis.
Unsere VAVORITEN- Tipps zum Lesen, Schauen und Hören
*Lena empfiehlt: *
In dieser Ausgabe möchte ich einen Podcast empfehlen, der mir wiederum von Frank Reiss (danke!) ans Herz gelegt wurde, nämlich Danke, Gut. Der Untertitel “Der Podcast über Pop und Psyche” fasst schon gut zusammen, worum es geht: Host Miriam Davoudvandi trifft Menschen aus der Popkultur und redet mit ihnen ca. 1 Stunde lang über psychische Probleme, Mental Health, Therapien und vieles mehr. Nun bin ich ja schon eine alte Frau, die seit 10 Jahren die selbe Musik hört und keine YouTube-Videos guckt, ergo kenne ich die Gäst_innen bis auf wenige Ausnahmen überhaupt nicht. Macht aber nichts, denn die Gespräche sind trotzdem immer super nachvollziehbar und interessant, die Moderatorin ist sensationell vorbereitet und in der Lage, sich auf die Person ihr gegenüber einzustellen und der Podcast ist auch toll produziert und hat eine gute Soundqualität. Und was am schönsten ist: Die Personen, die dort zu Gast sind, sind meistens jünger als ich und ihnen dabei zuzuhören, wie sie öffentlich so reflektiert und offen über Mental Health sprechen, gibt mir immer Hoffnung, dass die Menschheit doch noch nicht völlig verloren ist. Aktuell ist Danke, Gut. in der Sommerpause, es ist also eine gute Gelegenheit, mal ins Archiv reinzuhören. Folgenempfehlung zum Einstieg: Das Gespräch mit Stephanie Cuff-Schöttle zu Rassismus und Psyche.
Und wo wir gerade bei Mental Health sind, nutze ich doch gleich die Gelegenheit, um auch hier noch einmal die Serie Crazy Ex Girlfriend zu empfehlen. Ja, ich weiß, der Titel ist schlimm. Er hat mich auch nie angesprochen, aber als die Serie mir dann ausdrücklich empfohlen wurde (Danke, Andrea!), mit der wichtigen Zusatz-Information, dass es EINE MUSICALSERIE ist, war ich dann doch neugierig. Und habe die vier Staffeln (komplett auf Netflix verfügbar) mit größtem Vergnügen durchgesuchtet. Die Serie fängt an wie eine typische Romantic Comedy (nur mit Musikeinlagen) und ist gerade in der ersten Staffel gelegentlich etwas cringy und zum Fremdschämen: Anwältin Rebecca Bunch läuft in New York ihrer Sommercamp-Jugendliebe Josh Chan über den Weg und beschließt, Hals über Kopf in dessen kalifornische Kleinstadt zu ziehen, um ihn wieder für sich zu gewinnen. Aber auch schon in der ersten Staffel ist immer wieder zu merken, dass die Prämisse, dass alle Probleme verschwinden, wenn denn nur Der Richtige ™ kommt, sehr hinterfragt wird. In den späteren drei Staffeln geht es dann immer mehr um Mental Health und die Frage, was im Leben eigentlich glücklich macht. Die Darstellung ist dabei sehr sensibel und gelungen. Es gibt, je länger die Serie dauert, immer mehr queere Figuren und generell einen sehr diversen Cast. Außerdem ist Crazy Ex Girlfriend in vielerlei Hinsicht das Unverblümteste, was ich zum Thema Körper und Sexualität von Menschen mit Uterus je gesehen habe. All die Sachen, über die “man nicht spricht” (Menstruation, Schwangerschaftsabbruch, Blasenentzündungen, Masturbation, Pilzinfektionen, Geburten …) - diese Serie spricht nicht nur darüber, sie macht eine Musicalnummer draus. Und das ist ziemlich großartig.
Judith empfiehlt:
Ich gebe zu, ich bin Charlie Jane Anders Fangirl. Ich liebe ihren und Annalee Newitz’ Podcast Our Opinions Are Correct, in dem sie besonders über den Science-Aspekt von Science-Fiction reden. Ich lese sogar Charlie Janes Newsletter. Ich habe erst gezögert, ihr neues Buch Victories Greater Than Death zu lesen und das aus dem ganz oberflächlichen Grund, dass mich Jugendbücher und die Verfilmungen von Jugendbüchern (Grisha / Shadow & Bone, husthust) in letzter Zeit enttäuscht haben - formularisch, heteronormativ, oft irgendwie abgekupfert wirkender Weltenbau … Ich hatte ein bisschen Angst, dass Victories Greater Than Death mich ähnlich desillusioniert zurücklassen würde. Gute Nachricht! Es ist ein hervorragendes Buch voller queerer Metaphern, Queerness ohne Metaphern, Weltraumaction, Gedanken um Hierarchie, Gehorsam, Consent und Gewalt(losigkeit), mit großartigem Teamwork eines charmanten Teenager-Ensembles und fantastisch-weirden Science-Fiction-Ideen, wie einem Monster, das in einer verlassenen Raumstation haust und nur darauf wartet, die Haare von Eindringlingen zu essen. (Inklusive großartiger Ausrufe wie: “Run! Your hair is way nicer than mine!”) Charlie Jane weiß absolut, was sie tut, und all die gebrochenen Tropes haben mich wohlig seufzen lassen und mir immer mal wieder Tränen der Rührung in die Augen getrieben. Wirklich - ich liebe es, wenn Autor_innen genau das machen, worüber ich mir seit Jahren den Kopf zerbreche. Ich habe Victories Greater Than Death verschlungen und bin ausnahmsweise froh, dass es der Auftakt einer Reihe ist, denn ich möchte unbedingt mehr davon.
Der deutsche Phantastiksommer versprach lauter tolle Titel von Lieblingskolleg_innen - und gerade versammelt sich die A-Liga der deutschsprachigen progressiven Phantastik auf meinem Lesestapel. Ich habe direkt mit Elea Brandts Mutterschoß losgelegt. Ein düsterer Fantasyroman mit Bodyhorrorelementen, der um das Thema Schwangerschaft, Ausgeliefertsein, Fremdbestimmung von Schwangeren kreist - normalerweise sind solche Themen ein Garant dafür, dass ich einen großen Bogen ums Buch mache, doch bei Elea war ich mir ziemlich sicher, dass mir gefällt, was dabei herauskommt, und so war es auch. Der Roman ist aus der Sicht von zwei Protagonist_innen erzählt, die direkt ein Spannungsfeld aufmachen, das lange Tradition hat und bis heute andauert: das zwischen Arzt und Hebamme. Beide sind bei einer Geburt dabei, die tödliche Folgen für Mutter und Kind hat - zudem hat das Kind merkwürdige, flügelartige Missbildungen. Beide forschen auf ihre Weise nach - dabei gelingt es Elea, nicht nur Ajeri zur Sympathiefigur zu machen, die als Hebamme bei Geburten und Abtreibungen hilft, um den Frauen von Ghor-el-Chras zu ein wenig Selbstbestimmung zu verhelfen, sondern auch den ambivalenten Shiran, der um das Leben seiner schwangeren Frau bangt, absolut nachvollziehbar zu zeichnen - bis zur letzten Seite. Mutterschoß ist düster und fies und grausig, aber es ist auch ein wütendes Buch, das gegen die Restriktionen anschreit, die das Patriarchat Menschen auferlegt, die schwanger werden können, und mein Herz hat beim Lesen gelacht und geweint und fuck yeah geschrien.
Christian empfiehlt:
Passend zum Erscheinen von Anarchie Déco haben wir uns Krieg der Träume auf Amazon Prime angesehen, eine Serie, die die Zeit von 1918 bis 1939 durch Verfilmung von zeitgenössischen Berichten thematisiert und dabei immer wieder reales Bildmaterial einstreut. Sehr empfehlenswert, weil die Serie viele Zusammenhänge und Hintergründe zwischen den Weltkriegen auf interessante Weise beleuchtet, allerdings haben mich die menschlichen Abgründe auch ziemlich beschäftigt nach jeder Folge.
Unterdessen begeistert mich und meine Kinder gerade das Videospiel It Takes Two, das zwingend von zwei Spielenden gespielt werden muss und somit völlig neue Mechaniken ermöglicht und dazu immer wieder auf großartige Weise das Genre wechselt: Platformer, Rätsel, Shooter, … . (Bei dem Beziehungsgezänk der Protagonist_innen würde ich mir allerdings ab und zu eine X-Karte für Videospiele wünschen.)
Und damit endet unser Vreundschaftsbrief für Juli 2021. Danke fürs Abonnieren und Lesen, wir wünschen euch einen wundervollen Monat. Bis zum nächsten Brief.
Lena, Judith und Christian