Januar-Ausgabe 2025
Herzlich Willkommen zur Januar-Ausgabe des Vreundschaftsbriefs!
CRUNCH
In der Januarfolge des Genderswapped Podcast verkünden wir die sehr überraschende Änderung, dass wir den Rollenspielpodcast an den Nagel hängen und persönlicher über Progressive Phantastik reden möchten - der Abschluss einer Doppelfolge. Wie in der Folge erwähnt - wir freuen uns über Feedback und Wünsche für die neue Podcast-Ära!
Im ersten Audio-Extra des neuen Jahrs und des neuen Podcast-Konzepts spillen wir ein bisschen die beans als Rückblick aufs Jahr 2024 - inklusive Kurd-Laßwitz-Preis-Katzentisch-Kategorie und all so was.
Im Patreon gibts im Januar erste Infos zum neuen Pseudonym der Vögte.
Judith und Christian haben außerdem einen Essay beigetragen zu “Monsters, Magic, Mediality: Das Pen-and-Paper-Rollenspiel als Bindeglied zwischen Analog- und Digitalspielforschung”. Die gesamte Sonderausgabe lässt sich auf paidia.de lesen!
“Tee-Spione”, der dritte Teil der Novellenreihe “Schattenspiele” erscheint ganz bald beim Verlag ohneohren, und es wird EIN SCHUBER angeboten!! Das tolle daran ist, ihr könnt euch z.B. den Schuber mit Teil 3 bestellen, und dann Teil 1 & 2 selbst einräumen, wenn ihr sie schon zu Hause habt. Wenn das nicht toll ist: ein richtiger Schuber, nur in winzigklein, denn es ist ja auch eine winzigkleine Trilogie. 😍

Lena hat im Rahmen eines Call for Stories des Chaos Computer Club letztes Jahr ein gefördertes Projekt kuratiert, in dem es um utopische und inklusive Zukunftsvisionen geht. Das Ergebnis war auf dem CCC-Congress Ende 2024 zu sehen und ist jetzt auch auf der Website des Call for Stories zu sehen: Dis_abled Disruption Drabbles, 10 Texte mit genau 100 Worten von 10 be_hinderten Autor*innen. Grafikdesign und Illustrationen von C. F. Srebalus.
Termine
Am 31.1. ab 19 Uhr stellen Christiane Hütter, Jenifer Becker, Juan Guse und Judith Vogt in einer (auf Jitsi-Basis) entwickelten digitalen „Aufführungsumgebung“ des Center for Literature ihr mit Polyplot entwickeltes Choose-your-own-Adventure-Projekt “Das geheime Leben der digitalen Zwillinge” vor. Details dazu findet ihr bald z.B. im Veranstaltungskalender von www.jcvogt.de!
News und weitere Details zum Projekt außerdem auf den polyplot-Accounts bei Mastodon und Instagram.
FLUFF
Das Bums-Buch aus der Damals-Zeit (von Judith)
Alles zu Thilo Mischke als Moderator von “Titel, Thesen, Temperamente” has been said, but not by me. Falls ihr jetzt noch gar nicht wisst, worum es geht, bleibt selig unwissend oder lest diesen Artikel zum Offenen Brief, der von Kulturschaffenden unterzeichnet wurde.
Ich überlege schon seit unserer Unterzeichnung, wo ich mal kurz was dazu loswerden kann, warum ich diesen Brief unterzeichnet habe, und ich glaube, dieses Wo ist hier. Medial wurde jetzt von jeder größeren und kleineren Zeitung, jeder Radiomoderation und jedem Feuilleton-Bro verkündet, wir würden Thilo Mischke wegen eines Bums-Buchs aus der “Damals-Zeit” (Zitat Pro7) canceln, und zwar wegen des Buchs “In 80 Frauen um die Welt”, in dem Mischke aufgrund einer Wette versucht, 80 weltweite Frauen flachzulegen.
Verachte ich das “Konzept” dieses Buchs und denke, dass wir zu oft weißen Jungs Bühnen bereiten für den hinterletzten Scheiß? Aber ja. Aber tatsächlich ist das Buch nicht der Grund, weshalb ich mich gegen Mischke als Moderator einer Kultursendung positioniere (in der ich als Phantastikautor*in ohnehin nie stattfinden werde).
Ich habe den Offenen Brief unterzeichnet, weil viele Menschen über die Feiertage viele unerträgliche Podcasts und Artikel von Mischke zusammengetragen haben, in denen er anhand haarsträubender gefühlter Wahrheiten zu belegen versucht, dass Männer geborene Vergewaltiger sind, und ich glaube, dass jemand, der sich auf diese Weise mit wirrem Gelaber über soziologische Forschung und Naturwissenschaft hinwegsetzt, kein guter Journalist ist und nicht die Visage eines Kulturmagazins sein sollte, in dem er sich mit den Texten von Frauen und queeren Menschen auseinandersetzen muss, denen er einfach nicht gewachsen zu sein scheint.
Viele Feuilleton-Jungs und -Mädels haben uns jetzt nicht nur Cancel Culture vorgeworfen, sondern auch, dass wir Mischke fälschlich der Vergewaltigung oder der Verherrlichung von Vergewaltigung bezichtigen und er das ja mit keinem Wort zu gesagt oder gemeint hätte. Wir sind allerdings als Kulturschaffende tatsächlich recht textsicher im Umgang mit dem, was er gesagt hat und was nicht. Er hat nicht gesagt: “Menschenmänner sind genetisch auf Vergewaltigung programmiert und das finde ich toll”. Was er genau gesagt hat, könnt ihr in diesem Artikel auf spektrum.de nachlesen. Hier das für mich wichtigste Zitat:
“Ich glaube, das unterstützt so’n bisschen meine These dieses dass es etwas Urmännliches ist, im Prinzip, meine Sexualität, also nicht meine, Thilos, sondern die männliche Sexualität basiert vielleicht auf Vergewaltigung. Und die Gesellschaft und die Moral, die wir über, in den letzten 2000 Jahren Christianisierung in Europa verteilt haben, hat uns das so’n bisschen abgewöhnt, dass wir nicht mehr vergewaltigen. [...] Du hast, es gibt den Menschen und dann gibt’s nochmal so’n Urmensch, und der Urmensch ist ausgestorben weil er nicht reden kann und vielleicht zu zärtlich zu den Frauen ist und sie nicht vergewaltigt, und der Homo homo sapiens hat überlebt weil er eben anfänglich in seiner Gesellschaft vergewaltigt, darüber hatten wir uns als wir uns zum Kaffee getroffen haben auch unterhalten, es ist dieses Feuchtwerden, dieses warum Frauen feucht werden beim Geschlechtsverkehr ist ja, weil die ausgestorben sind, die diese Fähigkeit nicht hatten, weil so Sexualität funktioniert hat. Frauen wurden hart wegvergewaltigt in der Urmenschenzeit und eben die, die, überlebt haben die, die den Gendefekt hatten, meine Vagina wird feucht. Weil sie eben keine inneren Verletzungen beim Geschlechtsverkehr bekommen haben.”
Da steckt nicht die Aussage drin “Ich, Thilo Mischke, finde Vergewaltigung super”. Darin steckt aber die Aussage “Ich nehme Frauen nicht als Menschen war, sondern als davon abgesondertes Objekt, über das Urmenschen und Homo Sapiens unterschiedlich verfügen und das in einem obskuren ‘Früher’ meiner Meinung nach zu Tode vergewaltigt wurde”, und das, meine lieben Vriends, ist ein gar nicht so subtiles Beispiel für Rape Culture - also für etwas, das Vergewaltigung nicht nur normalisiert, sondern sogar biologisiert.
Ich muss sagen, daneben verblasst für mich das Bums-Buch aus der Damals-Zeit. Das brauch ich gar nicht mehr. Diese steile, persönlich ausgedachte Bullshit-These dazu, wie Frauen spontan Lubrikation herbeievolutionieren mussten, um nicht innerlich zu verbluten, reicht mir einfach, damit ich jeden beliebigen offenen Brief unterzeichne, den man mir dazu vorlegt. Glaubt mir, dafür würde ich sogar Robert Habeck canceln.
Vielleicht nutzt Mischke das nicht, um für sich persönlich Vergewaltigung zu rechtfertigen - ich hoffe es. Ich kenn ihn nicht und hab keinen persönlichen Beef mit ihm, bis vor zwei Wochen wusste ich nicht, dass er existiert. Aber es ist eine allgemein anerkannte Wahrheit, dass Männer solche Rape-Culture-Mythen nutzen, um Vergewaltigung zu rechtfertigen - und dass Mischke als Journalist Verantwortung hat für die gequirlte Scheiße, die er mit großer Reichweite von sich gibt.
Und deshalb würde ich ’nen Sekt aufmachen, weil er nun doch nicht “Titel, Thesen, Temperamente” moderiert, wenn ich nicht gerade einen alkoholfreien Januar machen würde. Stattdessen: Cheers mit Almdudler! 🥂
Vavoriten
Lena empfiehlt:
Finally mal wieder eine Buchempfehlung von mir, nämlich für eine in sich abgeschlossene Dilogie: Seven Devils und Seven Mercies von Laura Lam und Elizabeth May. Im Nachwort steht, dass die ursprüngliche Idee des Buches Fury Road in Space war - und das sind auch ungefähr die Vibes, die die Bücher verbreiten. Seven Devils dreht sich um eine kleine Gruppe von Rebell*innen, die gegen die Übermacht eines Imperiums aufbegehren - so weit, so Star Wars, aber statt Lichtschwertern und Raumjägerkämpfen geht es hier um gedankenkontrollierende KI-Beeinflussung, telepathische Fähigkeiten und Spionagemissionen mit gesichts- und stimmverändernder Technik. Dazu gibt es immer wieder Einschübe, in denen die Vergangenheit der Hauptfiguren erzählt wird. Apropos Hauptfiguren, diese sind, wie das Vorbild Fury Road schon vermuten lässt, größtenteils coole und knallharte Frauen, die mit ihrer eigenen Vergangenheit zu kämpfen haben. Es gibt queere Beziehungen, trans Figuren, be_hinderte und neurodivergente Figuren. Gut gefallen, dass es gerade im zweiten Teil Seven Mercies dann auch immer mehr darum geht, einander zu retten und füreinander dazusein, und nicht nur gegen, sondern auch für etwas zu kämpfen. Seven Devils/Seven Mercies ist dabei vom Schreibstil und dem Weltenbau her durchaus klassische Space Opera und erfindet nicht das Rad neu - aber wer actionlastige Science-Fiction mit einem coolen und diversen Cast lesen möchte, kann hier ruhig zugreifen. [CN: Band 1, erschienen Mitte 2020 und damit sehr sicher vor der Covid-19-Pandemie geschrieben, hat einen Plot, in dem es auch um ansteckende Krankheiten geht - es gibt aber keine tatsächliche galaxisweite Pandemie (Galaktie?) Weitere Content Notes gibts auf der Website von Laura Lam.]
Judith empfiehlt:
Meine erste Lektüre des Jahres war Love Education von Elana Bardini alias Anna Zabini und Eleanor Bardilac. Meine drei (3) Emotionen und ich, wir haben die Lehrerzimmerlovestory an Neujahr angefangen UND durchgelesen, und mehr muss ich doch als Empfehlung eigentlich nicht sagen, oder?
Trotzdem ein paar Worte mehr: Der unter chronischen Schmerzen leidende Adam, der seine Schüler*innen mit “Morgen, ihr Pissnelken” begrüßt, sieht sich mit dem viel zu gut gelaunten und viel zu vorbildlichen neuen Lehrer Leo konfrontiert, der jedoch seinen Kaktus zum Erblühen bringt (das klingt jetzt doppeldeutig, aber es geht um einen actual Kaktus. Okay, vielleicht ist es trotzdem doppeldeutig). Und als auf der Sportwoche dann durch einen Irrtum nur ein Bett zur Verfügung steht, nimmt das Schicksal unweigerlich seinen Lauf, inklusive bittersweeter Verletzlichkeitsmomente zwischen zwei Männern. Dazu die unverhofft utopische Schulkulisse mit all ihren unterschiedlichen Nebenfiguren - Elana Bardini kann mir ruhig jedes Jahr einen Band schreiben!
A History of the Roman Empire in 21 Women
Und meine zweite Lektüre des Jahres - das neue Buch der Agrippina-Autorin Emma Southon. Wenn ihr Southons Schreibe noch nicht kennt, macht euch darauf gefasst, in ihren Bann geschlagen zu werden mit Fakten, Drama und casual cursing! Southon führt, wie der Titel schon sagt, durch die Geschichte der römischen Antike mit den Lebensgeschichten von 21 Frauen. Dabei lautet der berühmte Ausspruch eines Geschichtsprofessors aus den 70ern: Warum sollte man über römische Frauen schreiben, man schreibt doch auch nicht über römische Hunde! Southon schafft es, in jedem der Kapitel hervorzuheben, warum ihre “Ausnahmegeschichten” keine sind - warum Frauenleben zu jedem Zeitpunkt der Geschichte, wenn auch oft unsichtbar und undokumentiert, überall mitwirken, warum jede Kulturgeschichte unvollständig ist, die vor lauter Macht und Männlichkeit die Frauen vergisst.
Christian empfiehlt: Die The Wells of Sorcery-Trilogie von Django Wexler, denn was kann man nicht empfehlen von Django Wexler? Ich war erst skeptisch, weil er sich diesmal ins Jugendbuch-Genre wagt, aber auch diesmal wurde ich nicht enttäuscht: eine Stadt beherrscht von kriminellen Banden, ein mysteriöses riesiges Schiff auf unbekanntem Kurs, Magie an der Grenzen zwischen SF und Fantasy, tolle Charaktere, die man hasst und liebt, das alles macht große Freude. Außerdem hat die Protagonistin starke Vibes von Vi aus Arcane, und ihr Love Interest ähnelt Caitlyn. Das sind Koinzidenzen, über die ich mich nicht beschwere.
Außerdem möchte ich mich Judiths Empfehlung von A History of the Roman Empire in 21 Women anschließen. Keiner anderen Autorin gelingt es so gut, mich voll Interesse und Abscheu ans römische Reich denken zu lassen.
INITIATIVE BITTE!
Diese E-Petition an den Bundestag kann noch Unterstützung gebrauchen - es geht um die Erwirkung der Freilassung der Kölnerin Nahid Taghavi und weiterer deutscher Staatsbürger*innen, die im Iran inhaftiert sind.
Am 11.01.2025 gibt es in Riesa die Aktion Widersetzen gegen den AfD-Parteitag, mit verschiedenen Demos, Kundgebungen usw. Es sind auch Anreisen von Demonstrant*innen aus Städten in ganz Deutschland geplant. Danke an alle, die hinfahren! Da sich die Organisation des Ganzen über Spenden finanziert, schaut doch mal auf der GofundMe-Seite vorbei, die Zielsumme ist noch nicht erreicht.
Danke fürs Abonnieren und Lesen!
Lena, Judith und Christian