Dezember-Ausgabe 2022
Herzlich Willkommen zur Dezember-Ausgabe des Vreundschaftsbriefs!
CRUNCH
Im Februar 2023 wird Lenas erste eigene Veröffentlichung erscheinen: Die queere Science-Fiction-Novelle “Dies ist mein letztes Lied” im ohneohren-Verlag. Dort gibt es schon einmal die Vorschauseite mit dem Cover, einem Zitat, ein paar Tags und Inhaltshinweisen - und bald auch einer Leseprobe. Auch die Vorbestellaktion soll noch diesen Monat losgehen. Infos dazu findet ihr dann zeitnah auf Twitter oder Mastodon und natürlich auch noch einmal im nächsten Vreundschaftsbrief.
In der Dezember-Folge des Genderswapped-Podcast reden Judith und Lena über Fehler im Rollenspiel und im echten Leben. Dabei fragen wir uns, was wir aus dem Rollenspiel vielleicht mitnehmen können - Stichwort Failing Forward und Heiter Scheitern. Im Audio-Extra auf Patreon erzählen wir passend dazu jeweils drei Rollenspiel-Fails.
Auf Patreon gibt es diesen Monat ein Solo-Journaling-Game von Christian: Nexus, in dem man in einer Sword-and-Sorcery- und einer Science-Fiction-Variante mit einem Tarot-Deck ein beseeltes Artefakt im Wandel der Zeiten spielt.
Eine ältere Patreon-Aktion verlinken wir einfach noch einmal, weil Dezember ist: Den Sologames-Selfcare-Adventskalender aus 2020, der inzwischen frei verfügbar auf Itch ist. Vielleicht hilft oder verschönert er euch ja die Adventszeit, wenn ihr ihn noch nicht kennt.
Solltet ihr signierte Bücher der Vögte verschenken wollen, sei hier noch mal auf unseren Etsy-Store hingewiesen! Und alle Unterstützenden unseres Patreons können sich wie jedes Jahr auf ein kleines Jahresend-Goodie vom Genderswapped-Podcast freuen - schickt uns dazu nur bis zum 15.12. eure Adresse (z.B. im Slack oder per Patreon-Nachricht)!
Termine:
Am 27.1.2023 lesen die Vögte beim AStA in Bielefeld aus “Laylayland” - sowohl der genaue Ort als auch die Uhrzeit werden noch bekanntgegeben.
Jahresabschluss-FLUFF von Lena
Ihr lest heute den letzten Vreundschaftsbrief für das Jahr 2022.
Das Jahr geht zu Ende. Der Jahreswechsel ist eigentlich nur ein Datum, aber für viele Menschen ist es doch mit Bedeutung verknüpft. Eine Chance, noch mal zurückzublicken oder gute Vorsätze zu ergreifen. Oder amüsiert-genervt davon zu sein, wie andere verkünden, dass ab dem 01.01. alles anders wird. Vielleicht eine Gelegenheit, noch mal an die schönen Momente des vergangenen Jahres zu denken. Oder 2022 den Mittelfinger zu zeigen, weil es einfach ein beschissenes Jahr war. Viele schauen in Statistiken auf die vergangenen Monate zurück: Welche Bücher haben wir gelesen, welchen Song am meisten auf Spotify gehört, wie kommen wir in der Duolingo-Statistik weg, was war der beste Film des Jahres, wie viele Rollenspiele haben wir gespielt? Falls euch bestimmte Rollenspiele, Bücher, Musik oder dergleichen in diesem Jahr besonders viel Freude gemacht haben, erzählt es doch weiter - oder schreibt über die freien Tage ein paar Rezensionen oder eine Nachricht an Kunstschaffende, über deren Werke ich euch 2022 besonders gefreut habt. Wir können euch sagen: Das bedeutet viel.
Die Zeit zum Jahresende ist auch sonst mit vielen Traditionen und Erwartungen verknüpft und für manche die schönste und andere vielleicht die schrecklichste Zeit des Jahres. Vielleicht seid ihr schon total vorfreudig auf die Feiertage eurer Wahl oder freut euch auf einen erholsamen Urlaub. Vielleicht müsst ihr auch arbeiten, während andere frei haben. Oder ihr habt zwar frei, aber Termine, die sich eher nach Pflicht als nach Freude anfühlen und die euch mit Menschen und Orten konfrontieren, die euch nicht guttun. Manche von euch genießen vielleicht die schönen Seiten des Dezembers: Schnee, heiße Getränke im Freien, überall Lichter und drinnen Kekse und Gemütlichkeit. Andere leiden unter Kälte und Dunkelheit und warten schon sehnlich auf länger werdende Tage. Einige von euch haben womöglich schon alle Geschenke beisammen und bunt eingepackt. Einige denken noch mit Grauen an volle Innenstädte und Paketchaos, oder erwarten schon angespannt, was sie dieses Jahr wieder Absurdes statt der Dinge kriegen, die sie sich wünschen würden. Und viele Menschen müssen sich diese Gedanken nicht machen, denn sie können sich weder Geschenke für andere leisten noch werden sie selbst welche bekommen. Manche von uns planen schon das Weihnachtsessen und backen Stollen. Andere werden sich kein besonderes Essen leisten können und wissen nicht, wie sie bei gestiegenen Kosten für Energieversorgung und Lebensmittelpreise überhaupt über den Monat kommen sollen.
Worauf ich hinauswill: Für manche ist der Dezember ein wunderschöner Monat, für andere der schlimmste des Jahres, und das ist beides okay. Aber die von uns, die ihm zumindest ein paar schöne Seiten abgewinnen können, können auch an die denken, für die das anders ist. Es gibt viele Möglichkeiten zu helfen: Klassisch Geld spenden zum Beispiel. Oder ihr schaut mal, ob es in eurer Stadt einen Wunschbaum gibt, an den von Armut betroffene Kinder ihre Wünsche hängen können. Ähnliche Aktionen online gibt es online zum Beispiel bei #EineSorgeWeniger. Auch Einsamkeit ist für viele Menschen ein Problem, weil sie niemanden haben, mit dem sie zusammensein können. Das kann man durch kleine Gesten vielleicht nicht ändern, aber ein bisschen weniger schlimm machen. Vielleicht habt ihr Zeit und Energie, ein paar Postkarten an Freund*innen und Bekannte zu schreiben - oder an fremde Menschen, die sonst wenig schöne Post bekommen, wie ihr das beispielsweise über die Post mit Herz tun könnt. Oder ihr eröffnet im Messenger eurer Wahl eine Chatgruppe und ladet Leute ein, ihr beizutreten, um Frust und Freude an den Feiertagen miteinander teilen zu können. Vielleicht schreibt ihr Leute, für die gerade keine gute Zeit ist, einfach mal an und bietet an, ihnen zuzuhören, wenn sie frustriert, einsam oder traurig sind. Womöglich habt ihr auch Videochat-Treffen noch nicht völlig über und bietet euren Freund*innen ein virtuelles Teetrinken an, wenn ihr es sonst nicht schafft, euch zu sehen. (Und wenn ihr euch im Real Life seht: Denkt bitte daran, vorher Schnelltests zu machen.)
In jedem Fall: Seid nett zueinander und zu euch selbst, gerade in den letzten Tagen und Wochen dieses schlimmen und turbulenten Jahres. Wir wünschen euch jedenfalls einen schönen, erholsamen, möglichst stressfreien oder zumindest bald zu Ende gehenden Dezember.
Vavoriten
Judith empfiehlt:
Queer Little Nightmares: An Anthology of Monstrous Fiction and Poetry von David Ly und Daniel Zomparelli hat uns ein Freund geschenkt, der weiß, dass unser nächstes Buchprojekt “was mit Monstern” wird, und wider Erwarten habe ich es VERSCHLUNGEN. Wider Erwarten zum einen, weil es Anthologien oft ein bisschen schwer haben bei mir. Ich lese sie selten ganz, kaufe sie oft und lasse sie dann herumliegen. (I know, shame on me!) Und zum anderen, weil es sich vor allem um Horror-Kurzgeschichten (und monströs-queere Gedichte) handelt, und Horror eigentlich gar nicht so mein Ding ist. Aber der Opener, eine lesbische Teenager-Werewolf-Lovestory, hat es mir leicht gemacht, hineinzufinden, ich bin Göttern, virtuellen Körpern und der abgefahrensten Menopausen-Menstruations-Bodyhorror-Geschichte begegnet, und es hat sich gelohnt. Die Anthologie hat allerdings keine Inhaltshinweise: Wenn ihr Genaueres über die einzelnen Geschichten wissen wollt, haut mich an!
Eine Sache, von der ich vorher weiß, dass ich sie liebe, sind die Comics der Saga-Reihe von Fiona Staples und Brian Vaughan. Nach Band 9 gab es eine längere Pause, und solltet ihr die Reihe wie ich etwas aus den Augen verloren haben: Band 10 ist im Oktober erschienen und es geht endlich weiter! Zu Hazel und ihrer starcrossed Family ins Space-Baumhaus zurückzukehren hat mir wie immer Spaß gemacht, und es war auch wie immer ein bisschen heartbreaking. (Aber nicht so heartbreaking wie Band 9, versprochen!) Da man schlecht den 10. Band einer Reihe empfehlen kann, lege ich allen, die Saga noch nicht kennen, Band 1 ans Herz: Um den alten Konflikt zwischen der geflügelten Bevölkerung eines Planeten und der gehörnten Bevölkerung von dessen Mond hat sich ein Krieg galaktischen Ausmaßes entwickelt, in den alle hineingezogen werden, sogar ein Volk von Robotern mit Fernsehköpfen und ein alternder Romance-schreibender Zyklop. In diesem Krieg ist viel geschehen, doch dass eine Geflügelte und ein Gehörnter (die beide so unfassbar sexy von Fiona Staples gezeichnet sind, I AM DYING) sich ineinander verlieben und ein Kind bekommen, mit dem sie die Flucht ergreifen müssen, geschieht zum ersten Mal, und sie sind nirgendwo sicher. Eine eigentlich simple Romeo-und-Julia-Geschichte, aber sie hat ALLES. Trust me.
Christian empfiehlt:
Es ist wieder die beste Zeit des Jahres, um Äxte auf Draugr zu werfen. Wir haben ja auch in “Schildmaid” beim Thema Ragnarök eine andere Perspektive als die Asen-Propaganda angenommen, und das Spiel God of War: Ragnarök geht lustigerweise einen ähnlichen Weg und interpretiert viele Ereignisse der nordischen Mythologie auf spannende Weise um. Außerdem mag ich, wie die Vater-Sohn-Beziehung aus dem ersten Teil dieses Computerspielzweiteilers immer weiter ausgehandelt wird. Die Haupthandlung spielt sich gut durch, allerdings sind einige der optionalen Kämpfe selbst im Storymode richtig happig.
Über Peripheral (Amazon Prime) kann ich kaum etwas sagen, ohne zu spoilern, außer, dass es toll ist, gut gemachten und aufwändig produzierten Cyberpunk als TV-Serie zu genießen. Es geht um VR-Gaming, aber nicht so richtig, um Krieg in Texas, Androiden, eine Apokalypse und ums Drucken von anderen Dingen als Dokumenten und basiert auf dem ersten Band der Trilogie von William Gibson, der in den 1980ern mit “Neuromancer” das Cyberpunk-Genre erfunden hat. Wenn ihr durch die Eingangsprämisse “VR-Gaming” allerdings so etwas Ähnliches wie “Ready Player One” erwartet: Es ist besser und anders als gedacht! .
Ich habe mich endlich mal eingehender mit dem Rollenspiel Spire beschäftigt, das auf Deutsch unter der Redaktion von Frank Reiss bei System Matters erschienen ist, und das Setting ist einfach toll: Fantasy in einer definierten Zeit, sehr urban in einer riesigen Stadt innerhalb eines Turms. Man spielt monochrome Drows, die den Aufstand gegen die unterdrückenden, selbstgerechten Hochelfen wagen. Dabei gehört man auch noch einem finsteren Kult an. Es scheint gleichzeitig sehr gritty zu sein, aber auch hoffnungsvoll, denn “Rebellions are built on hope”, wie wir alle wissen. Jetzt brauche ich nur noch eine Schubkarre Zeit, um eine Minikampagne zu leiten.
Lena empfiehlt:
Wer, vielleicht gerade während der freien Tage zum Jahresende, ein bisschen Queer Joy und was zum Lachen sucht, dem sei die etwa 90-minütige Stand-up-Comedy-Sendung STAND OUT bei Netflix empfohlen. Es ist die Aufzeichnung einer Open-Air-Live-Show aus Juni 2022, bei der eine Vielzahl an queeren Stand-Up-Comedians, Schauspieler*innen, Aktivist*innen etc. zusammenkamen, die sich mit kurzen Auftritten abwechseln. Mit dabei sind z. B. Lily Tomlin, Sandra Bernhard, Tig Notaro, Wanda Sykes uvm. Die Ironie, dass diese Show vom selben Streaming-Dienst angeboten wird, der leider auch reichlich transfeindliche Comedy-Shows im Programm hat, ist mir bewusst - den Auftretenden aber auch, die im Laufe der Show den ein oder anderen Seitenhieb verteilen und sich auch deutlich für Trans Rights und Pro Choice positionieren. Viele der Stand-up-Sachen haben mich wirklich sehr zum Lachen gebracht, gerade weil sie aus einem queeren Blickwinkel kommen, Absurd-Lustiges beleuchten und nicht nach unten treten. Viele der Beteiligten kannte ich noch gar nicht, sodass ich auch etliche Tipps mitnehme, wessen Programme ich mir mal anschauen möchte. Natürlich hat mir nicht jeder Auftritt gleich gut gefallen, aber allein die Tatsache, wie fast alle Comedians immer wieder innehalten und sich einfach freuen, dass sie mit so vielen anderen queeren Künstler*innen vor einem riesigen Publikum stehen, macht einfach sehr viel Freude.
Und allen, die an dunklen Abenden ein richtig dickes und richtig gutes Buch lesen wollen, möchte ich Iva Moors Die Alchemie des Träumens ans Herz legen. Auf Ivas ersten Roman war ich schon seit ihrer Queer*Welten-Kurzgeschichte total gespannt und was soll ich sagen, it lives up to the hype! Der Roman ist Urban Fantasy im New York der 1940er und hat reichlich Noir-Flair. Die beiden Protagonistinnen Moira und Sova haben manche Eigenschaften, die man aus klassischen Noir-Detective-Stories kennt: Moira ist eine hartgesottene Reporterin, die raucht wie ein Schlot und der für die Story jedes Mittel recht ist; Sova ist eine Ex-Soldatin und Ex-Gefängnisinsassin, die versucht, irgendwie ihr Leben zurückzukriegen. Aber gleichzeitig sind diese Figuren eben auch: queer, weiblich, in Sovas Fall of color, in Moiras Fall weniger oder anders befähigt als die meisten Hexen im magischen Untergrund. Beide schleppen außerdem viele schlimme Erlebnisse aus ihrer Vergangenheit mit sich herum - und werden zu unfreiwillig Verbündeten, als Leute aus Sovas Community entführt werden und sie Moira einen Handel aufzwingt, um nach ihnen zu suchen. Daraus entspinnt sich eine Detektivgeschichte mit vielen Wendungen und Irrungen, die gleichzeitig unterschiedliche Aspekte des magischen New Yorks beleuchtet und gleichzeitig die Hintergründe und Erlebnisse der Hauptfiguren ans Licht bringt. Das alles ist dabei sehr organisch verknüpft und bleibt stets spannend. Auch wenn das Buch ziemlich lang ist, sorgen die kurzen Kapitel und der mitreißende Schreibstil dafür, dass ich immer wissen wollte, wie es weitergeht. Ich muss zwar gestehen, dass ich am Ende, als einige Figuren wieder auftauchten, die zuletzt in der Mitte des Buchs vorgekommen waren, noch einmal zurückblättern musste, um mich zu erinnern, wer das noch gleich war, und dass ich mir nicht jede Nebenfigur gut merken konnte, aber das hat mich insgesamt nicht gestört. Man merkt dem Roman an, dass der Geschichte ein sehr vielschichtiger und ausgearbeiteter Weltenbau zugrunde liegt, der sich auch sprachlich in ganz eigenen Ausdrücken niederschlägt und beim Lesen nach und nach entfaltet, ohne dabei alles zu Tode zu erklären. Mir hat das sehr gut gefallen, für mich dürfen gerne noch einige offene Fragen bleiben - zumal das Ende doch sehr nach einer Fortsetzung schreit. Sprachlich war der Roman jedenfalls absolut überzeugend, das Noir-Urban-Fantasy-Flair ist vor allem in den Dialogen und Beschreibungen stimmig und bildhaft umgesetzt. Die Themen von Gemeinschaft und Ausschluss, Macht und Machtlosigkeit, Ableismus, Trauma, Sucht und Krankheit machen Die Alchemie des Träumens zu einem sehr relevanten und definitiv progressiv-phantastischem Roman. Ich hoffe auf mehr Geschichten mit Moira und Sova, und gratuliere Iva zu einem wirklich tollen Debüt.
Danke fürs Abonnieren und Lesen und bis zum nächsten Monat!
Judith, Christian und Lena