Dezember-Ausgabe 2021
Hallo und herzlich willkommen zur Dezember-Ausgabe des Vreundschaftsbriefs!
CRUNCH
Guerilla-Journalists ist tatsächlich erschienen! Ihr könnt Christians Rollenspiel um aktivistischen Journalismus endlich auf Drivethru oder bei Sphärenmeisters Spiele bestellen! Recherchiert ihre Machenschaften - veröffentlicht die Story - und bringt sie zu Fall!
Judiths Übersetzung Die Berechnung der Sterne (The Calculating Stars) von Mary Robinette Kowal ist in diesem Monat als eBook bei Piper erschienen und kommt am 3.1. auch als Print heraus! Hier der Klappentext der Hugo-, Logus- und Nebula-prämierten Raumfahrt-Alternative-History-SF: „Frauen gehören in die Küche, nicht in den Weltraum“ – eine weit verbreitete Meinung in den USA der 1950er Jahre. Die junge Physikerin Dr. Elma York, die als menschlicher „Computer“ täglich die Flugbahnen von Raketen berechnet, lässt sich davon jedoch nicht abhalten. Schließlich steht die Menschheit vor ihrer größten Herausforderung: Ein gigantischer Meteoriteneinschlag hat das Klima für immer verändert, sodass die Eroberung des Alls sehr viel dringlicher geworden ist. Die Widerstände sind zahlreich, doch als erste Astronautin in den Weltraum zu fliegen ist Elmas größter Traum – und niemand wird sie daran hindern!”
In der Dezemberfolge des Genderswapped Podcast haben wir übers Arbeiten geredet: Was machen wir eigentlich alles freiberuflich, wie sind wir dazu gekommen, wieso suckt diese ganze kreative Arbeit manchmal total und weshalb machen wir sie trotzdem? Außerdem reden wir im Medienthema über “Die Berechnung der Sterne”.
Und weil bald Weihnachten ist, gibt es diesen Monat unser Patreon-Audio-Extra frei zugänglich für alle! Als Add-on zur Folge sprechen wir darüber, welche Projekte wir umsetzen würden, wenn Zeit und Geld keine Rolle spielen.
Zu Queer*Welten haben wir ein kleines, vorläufiges Update: Wie ihr vielleicht mitbekommen habt, hat der Ach Je-Verlag im November aus gesundheitlichen Gründen den Betrieb eingestellt. Allerdings haben viele der Verlagsinhalte, unter anderem Queer*Welten, ein neues Zuhause im Amrûn-Verlag gefunden. Durch diesen Umzug hat sich die 7. Ausgabe erst einmal verschoben, sie wird jetzt im Januar 2022 erscheinen. Und falls jemand von euch die allererste, vergriffene Ausgabe noch nicht hat: Es gibt gerade einen Nachdruck in kleiner Auflage. Für aktuellste Infos zu Abo-Erneuerungen, weiteren Ausgaben usw. schaut gerne gelegentlich auf die Queer*Welten-Website oder auf Twitter unter @queerwelten.
Judith war im Wo wir klauen-Podcast von Pete und Nacchi zu Gast und hat mit den beiden über Fantastische Städte geredet und im Fantastische-Antike-Podcast, wo sie und andere Gäst*innen mit Michael Kleu über die Antike im Rollenspiel geredet haben. Hört mal rein!
Außerdem war Judith zu Gast bei einer Diskussionsrunde der Phantastik-Woche im Berliner Brecht-Haus, und das könnt ihr auf YouTube nachschauen. Auch der Vortrag von Heike Behnke, der der Diskussionsrunde voraus ging, ist sehr sehenswert!
Termine
12.12.: Christian ist zu Gast bei Diverser Lesen mit Ask, und ihr könnt auf Twitch dabei sein!
15.12.: Judith und Christian lesen um 19:30 Uhr bei einer Fantasy-Berlin-Allstars-Lesung auf Zoom mit Noah Stoffers, Kathrin Tordasi, Kim Rabe, Nina Bellem, Swantje Niemann und Christian Handel. (Meeting-ID: 657 8971 8261 Passwort: 2351649)
(Die im vergangenen Newsletter für den 8.12. angekündigte Lesung in Warstein aus “Anarchie Déco” ist sinnvollerweise pandemiebedingt ins Frühjahr verschoben worden.)
FLUFF
Der Frauenzählen-Rant
Im November veröffentlichte die Autorin Theresa Hannig eine Statistik zur Geschlechterverteilung in der Science-Fiction, die auf der Auswertung von Vornamen basierte. Judith hat sich zum Vorgehen und den Ergebnissen Gedanken gemacht:
Binäres, bei der Geburt zugewiesenes Geschlecht ist eins der wichtigsten Machtinstrumente in unserer Gesellschaft, und damit einher geht – in a nutshell – dass Männer mehr Macht haben als Frauen. Ich verstehe komplett, dass es immer wieder neue Projekte gibt (und vermutlich auch geben muss), die diese Hierarchie thematisieren. Was mir allerdings auffällt ist:
a) Darauf hinzuweisen, dass Frauen in fast allen Bereichen schlechter bezahlt, weniger gesehen, unterrepräsentiert und belächelt werden, verändert offenbar nicht einmal das Bewusstsein dafür, das ist ein Murmeltiertag-Unterfangen, das seit Jahrzehnten unternommen wird.
b) Die Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft sind komplizierter als das: cis Frauen sind privilegierter als trans Menschen. Weiße Frauen sind privilegierter als Schwarze Männer und Männer of color. Weiße cis able-bodied Frauen haben mehr Macht als die allermeisten marginalisierten Menschen (UND sind trotzdem schlechter bezahlt, weniger gesehen, belächelt etc. you name it!).
Was bringt also die #FantastischeFrauen-Statistik? Anhand von Vornamen wurde bewiesen: Frauen existieren in der Science-Fiction. Das ist jetzt an sich nichts Neues – die Statistik ergibt außerdem, sie machen etwa 1/5 bis 1/4 aus. Was fangen wir damit an? Im schlimmsten Fall, und das sage ich ganz direkt, denn es sind Leute vom Kurd-Laßwitz-Preis involviert, wird es zur Rechtfertigung herangezogen. Ich höre jetzt schon so Argumente wie „Eine Jury, die 50/50 aus Männern und Frauen [yes, I know] besteht? Aber wozu, das spiegelt doch gar nicht das Genre wider!“
Die Zahl an sich beweist jetzt, was wir schon wussten: Auch Leute mit weiblich konnotierten Vornamen und mutmaßlich weiblicher Sozialisation schreiben Science-Fiction. Das rüttelt nichts an den Machtverhältnissen im Genre, und ganz ehrlich: Wenn es das tun würde, wäre Udo Klotz nicht involviert, von dem ich schriftlich habe, ich wiederhole es, bis es alle wissen, dass Frauen in der Science-Fiction wie in vielen anderen Bereichen des Lebens aus „biologischen Gründen“ nur Mittelmaß sind. Die Zahlen sind letztlich Wasser auf Mühlen von Leuten wie ihm, und die gibt es im Genre mehr, als uns lieb ist.
Dazu kommt, dass ein feministisches Projekt, das von Vornamen auf Geschlecht schließt, einfach ein bisschen … wenig inklusiv ist. Letztes Jahr wurde ja auch verkündet, es würde jetzt ein „feministischer“ Literaturpreis verliehen und zwar … an Frauen. Wow. Diese Art exkludierender Feminismus erhält gerade wieder Aufwind, und wir sollten schon in den Babysteps unserer feministischen Projekte bedenken, dass das Patriarchat sich bei so etwas die Hände reibt. Frauen machen was für Frauen, perfekt! Die binären, bei der Geburt zugewiesenen Kategorien bleiben erhalten, privilegierte Männer müssen sich nicht darum kümmern, Geschlecht ist weiterhin binär, die Machtstruktur intakt.
Ich VERSTEHE, dass wir über die gesellschaftliche Abwertung von Frauen reden müssen. Aber dabei alles außerhalb von binären, zugewiesenen Kategorien zu unterschlagen, weil es nicht zu erfassen sei oder weil es statistisch nicht relevant sei, dient halt dem Status Quo.
Binäres Geschlecht gehört als Machtkonstrukt zerschlagen, und trans, inter, agender, genderqueere, nichtbinäre Menschen sind vielleicht „statistisch“ schwer zu erfassen oder momentan (noch) zahlenmäßig gering, tragen aber den Löwenanteil der Arbeit und bekommen den Löwenanteil der Anfeindungen ab. Die Stimmung momentan reicht von „nichtbinäre Menschen mit ihren Forderungen nach und Sichtbarkeit sind lästig“ bis zu „nichtbinäre Menschen existieren nicht und wenn doch, will ich sie eigentlich tot sehen.“ Ich weiß, dass das eine weite Spanne ist, aber wenn wir Letzteres nicht wollen, müssen wir direkt bei Ersterem einhaken, auch wenn wir dann wieder die Spielverderberinnen sind.
Bitte denkt bei euren feministischen Projekten mit, dass wir keine Zukunft brauchen, in der cis Frauen so mächtig sind wie cis Männer, sondern eine, in der Geschlechtern generell keine Macht über andere Geschlechter mehr inneliegt.
Unsere VAVORITEN - Tipps zum Lesen, Schauen und Hören
Es tut uns (nicht) leid, wir müssen jetzt alle nochmal über Arcane reden.
Lena: Wow, was für eine krasse Serie einfach. Ich habe keinerlei Ahnung von dem zugrundeliegenden Spiel, aber die 9 Folgen haben mich so dermaßen abgeholt, dass ich gerade gar nicht weiß, was ich jetzt als nächstes schauen soll. Das Setting, der Weltenbau, die Figuren, die Konflikte, die Actionszenen, die sogar mich komplett begeistert und abgeholt haben, die Animation … ich finde einfach alles an der Serie gut. Bis auf die zwei Jahre Wartezeit bis zur 2. Staffel. ;)
Vor allem hat man auch nicht einfach nur ein Action-Feuerwerk für die Fans des Spiels abgefackelt, sondern auch eine richtig gute Geschichte darum entwickelt: Die Frage, für wen Magie da sein sollte und was man damit anstellt, der Versuch, alte und eingefahrene Konflikte zu lösen, die tiefsitzenden Vorurteile in einer Zwei-Klassen-Gesellschaft: Da ist schon viel an Themen drin, was einfach richtig gut ist. Die ziemlich diversen Figuren, von denen erfreulich viele ältere saucoole buff Women of Color sind, haben mich auch außerordentlich erfreut und zumindest eins meiner Ships hat noch die Chance, den Zielhafen zu erreichen … ich freue mich auf Staffel 2!
Judith: Ich liebe auch einfach, wie SCHÖN die Serie ist. Jede einzelne Einstellung ist eigentlich zu kurz und taugt, um sie an die Wand zu hängen, jeder einzelne Gesichtsausdruck, jede Frisur, jedes Klamottendetail - ein einziger visueller Rausch. Und dann die Figuren, von denen alle so facettenreich sind, dass jede*r Zuschauer*in sich Lieblinge und Crushes aussuchen (und dazu obsessen) kann. Es hat mich sehr abgeholt, nicht zuletzt, weil es Themen in der Fantasy aufgreift, die mich begeistern und mir wichtig sind.
Christian: Ich habe mich ja schon im letzten Newsletter begeistert geäußert und dabei lag da das Beste noch vor mir! Wer mehr aus einer anderen Ecke aus der Welt von Arcane erfahren möchte, kann sich das Spiel Ruined King ansehen. Ein kleiner Titel, aber mit toller Piratenstimmung. Und die Figuren haben sogar (etwas) mehr an als beim League of Legends-Originalspiel ;)
Lena empfiehlt außerdem: Ich höre schon eine ganze Weile jede Woche die neue Folge des Writing Excuses-Podcast, gehostet unter anderem von Mary Robinette Kowal, der Autorin der Lady Astronauts-Reihe. In diesem Jahr gibt es dort immer acht-teilige Reihen zu bestimmten Themen und die aktuelle finde ich sehr gelungen: Mit Gästin Fonda Lee geht es um Weltenbau, Figuren und Plot, und wie diese ineinandergreifen - zum Beispiel darum, wie alle Figuren die Welt mit Vorurteilen betrachten, wie Technologie und Magie beide als Werkzeuge für Konflikte und spannende Plots benutzt werden können oder wie man ein Setting real und plastisch erscheinen lassen kann, ohne sich zu Tode zu worldbuilden. Das alles wird in den üblichen kurzen und knackigen Folgen von 15-20 Minuten Länge präsentiert. Die erste Folge ist diese hier.
Judith empfiehlt außerdem: Sarah Raichs Klimakatastrophen-Apokalypsen-Hopepunk All That’s Left könnte “Wasteland”s brother from another author sein: Teenager ZiZi muss ein lebensfeindliches Deutschland und Österreich durchqueren und inmitten von Gang-Hierarchien und abgestumpften Überlebenden bestehen - erst auf sich alleingestellt, dann mit unverhofften Verbündeten. Das Buch entwickelt einen poetischen Sog und lässt eine hoffnungsvolle Zartheit inmitten von Gewalt und Verrohung entstehen.
Christian empfiehlt außerdem: Die Realserie zu Cowboy Bebop auf Netflix: Kopfgeldjäger*innen im Weltall treffen auf den Look der 70er und eine sarkastische Erzählweise. Die Serie ist sehr episodenhaft und eignet sich daher gut, um sich immer mal wieder eine Folge zwischendurch zu gönnen. Am besten gefielen mir aber die Aces-in-Space-Vibes daran.
Und damit endet unser Vreundschaftsbrief für Dezember 2021 - der letzte in diesem Jahr! Danke fürs Abonnieren und Lesen, wir wünschen euch eine schöne Zeit. Bis zum nächsten Jahr!
Lena, Judith und Christian