August-Ausgabe 2025
Herzlich Willkommen zur August-Ausgabe des Vreundschaftsbriefs!
CRUNCH
Im August gab es im Genderswapped Podcast eine Folge zum Thema Schreiben und Geld verdienen, in der wir die oft gestellte Frage “Kannst du denn davon leben?” beantworten und Einblicke in verschiedene Aspekte des Buchmarkts geben. Wir freuen uns, wenn ihr die Folge teilt und, solltet ihr selbst schreiben, eure Erfahrungen dazu ebenfalls teilt.
Im Audio-Extra für August 2025 beantworten wir noch zwei Fragen, die uns für die Ask-us-Anything-Folge geschickt wurden und die wir vor der Aufnahme nicht mitbekommen hatten.
Auf Patreon gab es im August die Kurzgeschichte Yolando und der Dunkle Fürst - eine Art Ur-Faust (Ur-Fürst?) für The Icebound Kingdom.
Und speaking of The Icebound Kingdom: Der Roman ist offiziell vorbestellbar! Ihr könnt ihn in der Buchhandlung eurer Wahl vorbestellen - und im Rahmen einer Signier-Aktion bei der Buchhandlung Graff. Wer Wert legt auf eine Farbschnittausgabe, kann die bei Buchmädchen vorbestellen (ja, wir waren auch erstaunt :D ).

Wie immer gilt: Vorbestellungen sind Liebe und da sich der Buchmarkt absurderweise immer weiter zuspitzt bzw. die Schere zwischen Hype-Büchern und Midlist offenbar immer noch weiter aufgehen kann, hängt wie immer unsere Existenz als Schreibende davon ab, wie viele Lesende und Buchhandlungen Lust haben, unsere Bücher zu bestellen. Also danke, wenn ihr auch diesem Buch eine Chance gebt. 🫶
Queer*Welten 14 ist, wie im letzten Newsletter erwähnt, erschienen, und wir freuen uns weiter über Rezensionen des Hefts, Fotos davon auf Social Media usw. Kaufen könnt ihr die Ausgabe am besten im Verlagsshop.
Termine
… haben wir in diesem Monat keine.
FLUFF
Die innere Stimme in den Verfilmungen von Ich-Erzählungen
(von Judith)
Okay, die Überschrift klingt, als würde ich ein Paper dazu schreiben. Oder nach: “In this TED-Talk, I will …” Eigentlich will ich aber nur eine Beobachtung mit euch teilen, und vielleicht fallen euch ja noch weitere Beispiele ein. Christian hat in der letzten Ausgabe des Vreundschaftsbriefs schon die Verfilmung von “Murderbot” empfohlen, und ich bin auch sehr glücklich mit der Umsetzung als Serie, denn ich hatte ein bisschen Angst, dass sie es verkacken. Nicht aus genereller Skepsis heraus, sondern weil ich unsicher war / bin, wie gut man Romane (bzw. Novellen in diesem Fall), die einen so starken Fokus auf die Innensicht der Erzählfigur haben, verfilmen kann. Mein Worst-Case-Szenario war, dass Alexander Skarsgård schweigend und murderbot-weird durch die Gegend stapft und der Fokus auf der äußeren Handlung liegt, dass es also einfach nicht gelingt, Murderbots Innenleben in ein anderes Medium zu übertragen. Gehofft hatte ich hingegen, dass die Serie mit einem cleveren, witzigen Einsatz von Murderbots Gedankenstimme aus dem Off dessen cyborg-neurotische Innenleben darstellt. Und so ist es jetzt auch, dazu gibt’s Ausschnitte der von Murderbot “innerlich” angeschauten Serie “The Rise and Fall of Sanctuary Moon” in neonbunter Disco-Optik, das macht mich alles sehr glücklich und zufrieden.
Aber Stimmen aus dem Off sind ja nicht immer die Lösung. Mir fällt jetzt gerade kein konkretes Beispiel ein, aber manchmal schaut man eine Serie, und dann hebt die Stimme aus dem Off an zu kommentieren, und man denkt nur so: Ogottnein, das geht jetzt bitte nicht die ganze Serie so weiter - geht es aber dann doch. Gerade bei menschlichen Protagonisten ist die Stimme aus dem Off echt eine schwierige Angelegenheit und kann schnell Richtung “Als sie mein verrauchtes Büro betrat, fielen mir als erstes ihre langen, langen Beine auf …” gehen.
Das klappt bei jemandem wie Murderbot einfach viel besser, weil auf den zusätzlichen Sense of Wonder bezüglich des Innenlebens einer halb-organischen Person, die sich selbst Murderbot getauft hat, zurückgegriffen wird. Eine weitere sehr, sehr witzige Stimme aus dem Off ist Lemony Snicket, der immer wieder in der Netflix-Serie “Eine Reihe betrüblicher Ereignisse” um die Ecke biegt, um das Geschehen zu kommentieren, aber irgendwie auch selbst darin verstrickt ist.
Ein Beispiel, bei dem der Humor der Bücher ebenfalls stark von der Innensicht des Protagonisten lebt, bei der das aber die Verfilmungen nicht nutzen konnten (oder wollten), ist Rick Riordans “Percy Jackson”. Klar, vieles in Percy Jackson und den anderen Reihen des Autors ist auch ohne die Innensicht witzig - aber die inneren Kommentare der Hauptfiguren setzen den skurrilen Erlebnissen einfach noch die Krone auf. Ich mochte die neue Percy-Jackson-Serie auf Disney+, aber sie hat für mich einfach nicht denselben Humor wie die Buchreihe und bleibt dadurch eine unterhaltsame Teenager-Fantasy-Serie, aber ohne das, was die Bücher für mich damals so besonders gemacht hat. Ich weiß aber auch nicht, ob ein Kommentar aus dem Off das lösen würde - vermutlich wäre es einfach nur seltsam, wenn Percy ständig seine Taten kommentieren würde. Er ist eben einfach nicht Murderbot.
Vavoriten
Lena empfiehlt:
Ich habe auf Netflix den Film Leave the world behind mit u. a. Julia Roberts, Mahershala Ali und Ethan Hawke gesehen, und es ist schwierig, über den Film zu schreiben, weil es vermutlich am besten ist, wenn man ihn ohne großes Vorwissen sieht. Die Geschichte beginnt sehr simpel mit einer vierköpfigen Familie, die sich ein Ferienhaus auf Long Island mietet, um mal ein paar Tage aus New York wegzukommen. Dort stellen sie fest, dass Telefone und Wlan nicht richtig funktionieren, seltsame Rehe stehen im Garten und auf einmal tauchen der Besitzer des Hauses und seine Tochter auf und bitten darum, ins Haus aufgenommen zu werden. Ich fand den Film erstaunlich stressig zu schauen (und es gab eine Body-Horror-Komponente, die ich nicht erwartet hatte), aber sehr gut gemacht, mit toller Musik, Kameraarbeit und Darsteller*innen.
Gelesen habe ich auch etwas, nämlich den neuesten Roman von Till Rather: Disko. Die Geschichte einer Vierzehnjährigen, die aus der norddeutschen Provinz, die sich nach München durchschlägt, um ihren älteren Bruder zu finden und nach Hause zu holen, hat mich so gefesselt, dass ich das Buch an einem Tag durchgelesen habe. Es ist faszinierend, wie die Discowelt aus Sicht einer Person beschrieben wird, die sich damit so gar nicht auskennt, und nebenbei entfaltet sich eine leise und traurige Familiengeschichte zwischen entfremdeten Geschwistern. Außerdem mochte ich die Erzählperspektive, in der die Erzählerin die ganze Geschichte viele Jahrzehnte später schildert.
Judith empfiehlt:
Meine beiden neusten Übersetzungen sind am gleichen Tag im gleichen Verlag erschienen, nämlich bei Piper - und ich mag beide supergerne und möchte sie euch empfehlen:
Waterwitch ist märchenhafte Fantasy in einem zeitlich etwas unbestimmten England, in dem die Magie schwindet, aber noch vereinzelt englische und walisische Mythengestalten ihr Dasein fristen. Als sich im Dorf Chipping Appleby, dessen Dorfteich die ungeheuerliche Jenny Greenteeth bewohnt, der Erlkönig einnistet, kann Jenny das nicht auf sich sitzen lassen und zieht mit der Dorfhexe Temperance und dem Koboldhausierer Brackus an den Hof des eitlen Feenkönigs Gwyn ap Nudd, um in drei Questen eine Waffe gegen den Erlkönig zu erringen. Der Roman macht einfach Spaß, und mich kann man auch mit klassischen Mabinogion-Aventüren wie der, einem legendären Wildschwein einen Kamm aus dem Rückenhaar zu ziehen, sehr glücklich machen - aber es ist die Ich-Perspektive des mürrischen Wassermonsters (siehe Fluff-Text, haha), die das Buch zu etwas Besonderem macht und mir mit ihrer ungewöhnlichen rotzig-altmodischen Art zu formulieren auch beim Übersetzen sehr viel Spaß gemacht hat.
Songlight ist der erste Teil einer postapokalyptischen Young-Adult-Trilogie, und allein das hört sich jetzt so an, als wüsste man, wo es hingeht und als wäre die Autorin 15 Jahre zu spät dran. Aber in “Songlight” ist alles anders als sonst und der Roman überrascht an jeder Ecke mit Twists und Turns, die ich beim Übersetzen so spannend fand, dass ich oft gar nicht aufhören konnte, weiterzuübersetzen. 😅 Dazu besticht er durch fünf Ich-Perspektiven und beleuchtet damit das patriarchal-klerikale Gesellschaftssystem, das sich Jahrtausende nach dem Kollaps unserer Zivilisation etabliert hat, von allen Seiten. Aus der Sicht von Elsa, die mit ihrem Fischerboot den Lebensunterhalt für ihre Familie verdient, aber als Zweitfrau an einen heimgekehrten Kriegshelden verhökert wird. Aus der Sicht der chronisch kranken Kaira, die in der Hauptstadt aus großer Entfernung eine Freundschaft zu Elsa aufbaut, weil beide geheime Telepathinnen sind. Aus der Sicht von Rye, der Elsa liebt, aber von seinem besten Freund ans Messer der Justiz geliefert wird. Aus der Sicht von Piper, besagtem bestem Freund, der schwul ist, aber dem Männlichkeitsbild des Soldatenkultes entsprechen will und dabei nur scheitern kann. Und aus der Sicht von Swan, einer Krümelfrau an der Seite der Patriarchen, die immer wieder zwischen Eigennutz und Widerständigkeit schwankt. Ich liebe sie alle und übersetze aktuell Band 2, “Torchfire”.
(Für mein eigenes Ego sei noch angemerkt, dass ich sehr viele Begriffe und vor allem die Vogelnamen 🐦 übersetzt habe, das aber im Lektorat ins Englische zurückgeändert wurde, womit ich nicht glücklich bin, jetzt aber leben muss. Das Buch ist trotzdem toll.)
Christian empfiehlt:
Sunderfolk ist ein PS5-Spiel mit innovativem Konzept: Man lümmelt sich mit Freund*innen oder Familie im Wohnzimmer und spielt rundenbasiert auf dem großen Bildschirm, aber jede*r Spielende steuert die eigene Figur mit dem Handy. Man braucht also keinen Schrank voll Playstation-Controller und kann gewisse Teile des Spiels sogar parallel auf dem kleinen Bildschirm spielen. Sehr zugänglich, sehr gemütlich. Dazu passt das Setting des Spiels: Anthropomorphe Tiere müssen ihre Heimat beschützen. Sie stellen die üblichen D&D-Klassen dar. Man interagiert mit anderen Tierchen während der Downtime und verbessert das Dorf zwischen den Missionen, die stark an Brettspiele wie “Gloomhaven” angelegt sind (dank digitaler Unterstützung aber deutlich flüssiger ablaufen). So weit, so gewöhnlich, die Stärke des Spiel liegt eher im Konzept und im Missionsdesign, denn es geht eigentlich nie darum, einfach alle Monster platt zu hauen - jede Mission hat ihren eigenen Twist: Verbündete, die man retten muss, Rätsel, die gelöst werden wollen oder eine gefährliche Umgebung, die man für sich nutzen kann.
INITIATIVE BITTE
Aktuell wird über ein weltweites Plastikabkommen verhandelt, nachdem die Verhandlungen letztes Jahr im Herbst gescheitert sind. Nun ist das wieder so ein Thema, bei dem Verbraucher*innen natürlich am eigenen Konsumverhalten arbeiten können, bei dem aber die großen, systemischen Schrauben gedreht werden müssen. Einen guten Tipp, wie Letzteres gelingen kann, haben wir gerade nicht parat, aber die neueste (zweite) Ausgabe des Atmo-Magazins bietet einen sehr, sehr guten Überblick über Konzepte, die schon existieren, aber (noch?) nicht umgesetzt werden, Einzelmaßnahmen, die jede*r sich angewöhnen kann, und Fakten über Plastik, die ihr garantiert noch nicht wusstet. Das Magazin ist ohnehin super empfehlens- und unterstützenswert, also schaut doch mal rein oder abonniert es am besten direkt: https://www.atmo-magazin.de/
Dass ihr mal wieder “euren” CDU-Abgeordneten schreiben könnt, um zum Ausdruck zu bringen, wie scheiße ihr findet, dass sie Frauke Brosius-Gersdorf zum Rücktritt von der Verfassungsrichterinnenwahl gedrängt haben, müssen wir vermutlich nicht extra sagen, oder? Hier findet ihr Brosius-Gersdorfs eigene Worte zu ihrem Rücktritt, und wer danach nicht verdammt wütend ist, fühlt wohl gar nichts mehr.
Danke fürs Abonnieren und Lesen!
Judith, Lena und Christian